Ein paar Kurzgeschichten
Kleine Gute Nachtgeschichten für meine Kinder, als diese noch klein waren.
Die Geschichte vom Bett
Für die meisten Menschen ist ein Bett nur zum Schlafen da. Und warum sollte es für mich einen anderen Zweck haben? Also ging ich eines Abends ins Bett um zu schlafen. Gerade als ich mich hingelegt hatte, hörte ich eine kleine zarte Stimme "Aua" sagen. Ich erschrak ein wenig und guckte mich im Zimmer um. Niemand zu sehen und ich dachte mir: "Na so was, jetzt träumst du schon bevor du schläfst."
Aber als ich meine Augen schloß hörte ich wieder die Stimme und diesmal nicht nur kurz. "Ich bin es, dein Bett in dem du schon die schönsten Träume gehabt hast. Ich habe mich eben ein wenig weh getan, als du dich auf mich gelegt hast. Du mußt wissen, das ich schon recht alt bin und mein Holz nicht mehr so frisch ist wie am ersten Tag. Auch die Matratze ist schon ziemlich mitgenommen. Was meinst du, was die Matratze und ich schon alles erlebt haben." Und nachdem ich mich von dem ersten Schrecken erholt hatte, bad ich mein Bett ,mir doch etwas zu erzählen. Und das tat es dann auch.
"Ich bin ein altes Bett und schon fast 76 Jahre alt. In mir lagen schon alte Leute und auch kleine Kinder, Babys und Mütter, Väter und Kinder, Mädchen und Jungen. Und nicht immer bin ich nur als Bett benutzt worden. Auf... und mit mir... wurde gespielt und getobt. Mal hat man mit Decken eine Höhle gebaut, mal musste ich als Trampolin herhalten. In mir haben die Menschen schon ihre schönsten Träume gehabt und auch ihre schlimmsten Alpträume. Ich weiß nicht, wie oft ich schon die schönsten Gute Nacht Lieder gehört habe aber auch so manche Träne in meinem Bettlacken gefallen ist. In mir haben schon Kinder gelacht und geweint. Auf mir lagen die schönsten Decken und Kissen aber auch die neusten und ollsten Kuscheltiere und Teddys. An meinem Bett wurden schon die schönsten Geschichten erzählt und ich habe mir schon manches Geheimnis angehört. Du glaubst ja gar icht, wie viele Kinder zum Beispiel ihren Teddys ihre Geheimnisse anvertrauen. Aber auch Erwachsene habe ich schon gehört wie sie z.B. ihre Gebete zu Gott sprachen und hin und wieder ihre Sorgen ausschütteten.
Ja ,meine Liebe, ich könnte Stundenlang erzählen und ein ganzes Buch schreiben über die vielen kleinen Erlebnisse und Abenteuer, die ich schon erlebt habe.
Und darum bitte ich dich; wenn du ins Bett gehst, danke daran, das ich nicht nur ein Bett bin, sondern auch ein guter Freund sein kann. Wenn du krank bist, wirst du bei mir gesund und wenn du gesund bist, hast du die schönsten Träume, an die du dich aber meistens nicht erinnern wirst. Ich wünsche dir alles gute und eine gute Nacht.
Schlafe gut und werde fröhlich wach.
Dein Bett
Der Bär und die einsame Nacht!
Es war einmal ein kleiner brauner Bär, der war der beste Freund eines kleinen Mädchens, das in einem schönen Haus mit einem Bruder und mit ihren Eltern wohnte. Der Bär war der beste Freund des kleinen Mädchens und darauf war er ganz besonders Stolz, weil er sich mit den anderen Stoffpuppen nicht so gut verstand. Aber das lag nicht an ihm, sondern an den anderen Puppen. Die glaubten, dass ein Bär auf jeden Fall gefährlich wäre und deshalb hatten sie große Angst vor dem Bär. Da hatte der Bär eine tolle Idee. Er wollte alle zu einer Kennlernparty einladen und wollte ihnen sagen, dass er nicht gefährlich war. Und auch das kleine Mädchen fand die Idee ganz toll und so half sie, die Einladung zu schreiben und sprach mit den Puppen.
Die Puppen hatten natürlich immer noch Angst und so machten sie sich aus, dass, wenn sie gehen sollten, doch alle zusammen gingen, denn zusammen ist man stärker und hat auch nicht so viel Angst. Die Party war ein toller Erfolg. Keiner hatte mehr Angst vor dem Bär und der Bär hatte ganz viele Spielkammeraden auf einen Schlag bekommen und so wurde ihm nie langweilig
Die Geschichte vom kleinen Topf
Es war einmal ein kleiner Topf, der lag den ganzen Tag in einer Schublade. Dort gab es kein Licht und auch nur ganz wenig frische Luft. Nur ab und zu , wenn jemand die Schublade öffnete, konnte der kleine Topf in die schöne Küche gucken. Es war sein größter Wunsch, einmal auf dem Herd zu stehen und eine ganz tolle Suppe zu kochen. Aber weil er so klein war, wurde er fast nie gebraucht.
Und da geschah es eines Tages. Ein kleines Mädchen öffnete die Schublade von dem Küchenschrank und fing an in ihr herumzuwühlen. Und plötzlich nahmen die kleinen Hände den kleinen Topf und hoben ihn hoch in die Luft. Es wurde ihm fast schwindelig. Das kleine Mädchen rannte mit ihm in ein anders Zimmer und stellte den kleinen Topf auf einen Tisch. Es war ein kleiner Kindertisch. Und nach und nach kamen
immer mehr Sachen auf diesen Tisch. Eine Schöpfkelle, Löffel und Gabeln und anderes. Und dann fing das Mädchen an zu rühren.
Ja es rührte in dem kleinen Topf und der kleine Topf fühlte sich ganz toll. Und je mehr das kleine Mädchen rührte, um so toller fühlte sich der Topf. Es kam ihm fast so vor, als ob richtige Suppe in ihm wäre. Als dann das kleine Mädchen auch noch zu ihrem Bruder rief: „Komm essen, die Suppe ist fertig“, fühlte sich der Topf ganz wohl. Es war der Schönste Tag in seinem Leben. Und als dann der Bruder mit seiner Schwester zu essen anfingen, ist er fast ausgeflippt. Und von diesem Tag an, wusste er, dass auch er ein Topf ist, der immer wieder gebraucht werden wurde und so auch mal ins Helle kam
Geschichte vom Nudelbaum
Es war einmal eine Nudel. Diese Nudel lag in einem Schrank und wie der Zufall es wollte, hat ein kleiner Junge die Nudel gefunden und wollte sie essen. Aber seine Mutter hatte ihm gesagt, dass man rohe Nudeln nicht essen könne. Und so kam der Junge auf die Idee, mit der Nudel zu spielen. Er band die Nudel an eine Schnurr und nannte sie" Band-Nudel". Das Wort Bandnudel hatte er nämlich schon einmal gehört. Und ich weiß nicht wie es kam? Vielleicht war es seine kleine Schwester die ihn auf die Idee brachte, die Nudel an einen Baum zu binden.
Es weiß doch jeder, dass Nudeln nicht an Bäume wachsen, sondern aus Teig gemacht werden.
Aber die Junge band die Nudel an eine Kordel und damit in einen Baum, der an einem schönen Weg lag. Da es Frühling war und alles in voller Blüte stand, waren natürlich viele Leute unterwegs und gingen mit ihren Kindern spazieren.
Auch Max ging mit seinen Eltern spazieren und die Mutter von Max erzählte ihm immer was für Bäume am blühen waren. Sie erzählten von Kirschblüten, Apfelblüten, von Birken und Felsenbirnen und als sie so erzählte rief Max: Eine Nudelblüte an einem
Nudelbaum. Zunächst dachten die Eltern, dass Max spinne oder so. Aber dann sahen sie die Nudel in einem Baum hängen und fanden das ganz lustig. Auf der nächsten Spaziertour, die an dem Baum vorbeiging, hängten sie eine weitere Nudel in den Baum.
Und auch andere Spaziergänger kamen auf diese Idee und bald war der Nudelbaum tatsächlich voller Nudeln.
Die Tage vergingen und die Zeit ging ins Land und so wurde es Herbst und das Wetter wurde ungemütlich und die Leute gingen weniger spazieren. Die meisten Bäume verloren ihre Blätter und sahen recht kahl aus.
In dieser ungemütlichen Zeit ging ein Mann spazieren. Eigentlich suchte er Arbeit. Seine kranke Frau und seine vier Kinder waren zu haue und der Mann war arbeitslos und suchte schon seit Wochen nach einer Arbeit. Aber er fand keine. Der Mann war sehr traurig, weil er nicht wusste, wie er seine Familie ernähren sollte. Er hatte kein Geld mehr und die Familie war sehr hungrig.
Und als er so daherging, wurde ihm plötzlich ganz warm ums Herz. Er sah auf und stand direkt vor dem Nudelbaum
Na sowas, dachte er und rieb sich die Augen. Träume ich oder was ist das. Er sah den großen Baum mit den Nudeln und wollte es gar nicht glauben. Er pflügte die Nudeln und nahm so viele mit wie er nur tragen konnte. Als er zu Hause ankam und seine Taschen leerte, freute sich die ganze Familie. Man musste nicht mehr hungern, sondern konnte sich eine super Nudelsuppe machen und das war eine tolle Sache.
Alle freuten sich und waren zufrieden. Die Nudel natürlich auch. Sie mussten nicht mehr im kalten Baum hängen und wurden
endlich aufgegessen
Der Beerdigungswitz mit der Urne:
Es ist Dezember und der Ehemann von Frau Schmitz ist verstorben und eingeäschert. Die Urnenbeisetzung steht kurz bevor. Der Nachbar von Frau Schmitz ist da und fragt ob er ihr etwas helfen könne. Frau Schmitz sagt, dass sie die Urne von ihrem Mann doch noch mal gerne auf den Kaminsims stellen möchte, bevor er beigesetzt wird. Sie habe auch schon mit dem Bestatter gesprochen, könne aber wegen des Wetters nicht raus. Der Nachbar sagte, er könne die Urne beim Bestatter abholen, denn das frostige Wetter würde ihm nichts ausmachen. Gesagt getan. Er ging zum Bestatter um die Urne noch einmal leihweise abzuholen. Er machte sich auf den Weg zu Frau Schmitz als er dann doch auf dem glatten Bürgersteig ausrutschte. Die Urne fiel hin und der Deckel ging auf, sodass ein wenig Asche rausfiel. Na gut, dachte er, dann ist hier wenigsten gestreut. Er ging weiter und dachte, dass die Urne leichter geworden ist. Er kam bei Herrn Gärtner vorbei, der gerade seinen Kaffeesatz und Kompost in den Garten zum Komposter bringen wollte. Er sprach ihn an und schließlich füllte er die Urne noch etwas nach. Bei Frau Schmitz angekommen, übergab er die Urne und bekam eine schöne Tasse Kaffee. Die beiden erzählten vom Leben des Herrn Schmitz und Frau Schmitz öffnete die Urne und schaute hinein. Schließlich sagte sie: "Es ist schon erstaunlich was von einem Menschen so übrigbleibt. Asche und ein paar Eierschalen."
Von einer ehemaligen Arbeitskollegin wurde ich mal nach meinen Kindheitsberufswunsch gefragt. Hier eine Erinnerung:
Hallo Sylvia,
auf deine Frage nach meinem Kindheitsvorbild habe ich mich mal zurückgelegt und meine Gedanken in die 60er geschickt.
Ich bin in Waldbröl einer kleinen Stadt im Oberbergischen aufgewachsen. Unser Haus stand ganz am Rand und vor der Haustüre begann sozusagen die große Freiheit. Wiesen, Felder und Wälder. Meine Eltern
machten sich gerade Selbstständig mit einem Taxi und Omnibusbetrieb und meine Geschwister und ich freuten uns über unsere …(Ende der 60er) Bonanzafahrräder mit denen wir in die neben unserem Haus liegende Wiese mit Quellwasser fuhren und schauten, wer am weitesten durch die Matsche kam :-). Dann waren da noch ganz viele Eindrücke… wollte man Raumfahrer werden wie Gagarin, oder Freiheitskämpfer wie Che?
Es gab Vietnam, die Hippibewegung und vieles mehr. Doch das betraf mich als 10 jähriger dann doch nicht so sehr, das ich dort mein Vorbild sah. Auch Mutter, Vater, Tante oder Onkel standen da außen vor.
Ich fand „Heinz“ ganz super und wollte so werden wie er. Er war schon gut. Er brachte Freude und Schrecken. Er kam nur kurz aber dafür jeden Tag. Er konnte in jedes Haus und kannte alle Leute. Im Winter bekam er auch schon mal einen Schnaps von Mama oder blieb für ein paar Minuten auf einen Kaffee um sich aufzuwärmen. Meine Eltern warteten mal auf ihn und freuten sich wenn er gute Nachrichten brachte (z.B. Genehmigungen vom Amt). Heinz war unser Briefträger und ich fand es super. Manchmal hieß es sogar: „War Heinz noch nicht da?“. Er war auch immer freundlich und das bei Wind und Wetter. Ja…wenn ich zurückdenke, wollte ich so sein wie er.:-). Er war mein Kindheitsvorbild… kein großer Held, aber immer voller Erwartung. Er brachte manchmal auch Nachrichten aus Holland, von meiner Tante. Das fand ich super.
Liebe Grüße
Erinnerung und was ich mit Kindern und Erwachsenen manchmal erlebt habe!
Wo ist man wohl gut aufgehoben? Mein Sohn kommt in den Kindergarten. Ich bringe ihn hin und gebe ihn ab. Der Kindergarten hat drei Gruppen. Diese Gruppen haben Tiernamen. Also ich stehe vor der Türe und auch ein anderer Vater bringt sein Kind in den Kindergarten und sagt seinem Kind: "Es ist doch toll, das du in der Bärengruppe bist. Die Bären sind mit die Stärksten." Mein Sohn schaut mich fragend an und ich sehe förmlich wie es in im ....rattert... . Ich schau ihn an und sage ganz laut, so dass der andere Vater es auch hört: " Martin, überlege mal. Die Bären sind zwar stark. Aber genau wie die Igel (Igelgruppe) gehen die in den Winterschlaf und verpassen so die Hälfte ihres Lebens. Aber du, du bist in der Mäusegruppe. Mäuse gibt es überall auf der Welt und die machen keinen Winterschlaf und die überleben immer, auch wenn man sie versucht zu jagen. Mäuse sind Überlebenskünstler. Deswegen fürchten sich manche Menschen mehr vor Mäusen als vor Bären oder Igeln. Die Mäusegruppe ist genau die richtige Gruppe für dich." Da war mein Sohn froh und lächelte ein wenig.
DER WUNSCHLADEN... WOLKENBAUM
Der Wolkenbaum
1.Ein geheimnisvoller Eingang
Als um 6.30 Uhr der Wecker, den ich auf meiner Nachtkonsole stehen hatte, zu piepsen, ja zu piepsen anfing, hielt ich mir wie immer die Ohren zu. Wie so oft verfluchte ich diesen verdammten Wecker. Piep, Piep, Piep der hat mich ganz bestimmt nicht lieb. Denn - das weiß doch jeder: Liebe ist: einen Schüler lange schlafen zu lassen, damit er in der Schule ausgeruht ist. Also musste ich, wenn ich in der Schule gut ausgeruht sein wollte, diesen Piepwecker zum Schweigen bringen. Obwohl ich morgens noch nicht der Schnellste bin, flog meine Hand, die ich am Ohr hatte, in Richtung Wecker und landete mit einem Volltreffer auf dem Ausstellknopf des Weckers, der daraufhin nur noch ein “Pi” aber kein “ep” mehr von sich gab. Prima - dachte ich bei mir. Ich fühlte mich richtig gut; denn immerhin hatte ich den ersten Kampf an diesem Morgen bestanden. Ich, Martin der Schläfrige, hatte den Piepwecker, den Schrecklichen, in einem Blitzkampf erfolgreich besiegt. So, nun hätte ich ja auch noch gerne ein wenig geschlafen. Doch wie immer hatte ich die Rechnung ohne meine Mutter gemacht. Ich weiß nicht wie sie das immer schafft. Eigentlich müsste sie doch auch müde sein, denn gestern abend hat sie doch erst um 21.00 Uhr mit Wäschebügeln angefangen. Wieso ist meine Mutter eigentlich schon wach und vor allen Dingen, wieso höre ich dauernd ihre Stimme meinen Namen rufen? Bevor ich mir noch ein paar Gedanken darüber machen konnte, ging meine Zimmertüre auf und meine Mutter steckte den Kopf ins Zimmer und sagte freundlich aber bestimmt. “Nun komm endlich Frühstücken, sonst kommst du noch zu spät in die Schule”. Am liebsten wäre ich liegen geblieben aber dafür kannte ich meine Mutter zu genau. Beim nächsten Besuch von ihr, in meinem Zimmer, hätte sie mir bestimmt einen nassen Waschlappen ins Gesicht geschleudert. Auf einen Zweikampf mit meiner Mutter lasse ich mich aber nicht ein, weiß ich doch, das ich bei ihr den kürzeren ziehe. Also, raus aus den Federn und rein in die Hose. Eine kurze Stippvisite im Badezimmer und dann in die Küche. Es roch schon nach Toast und Kaffee und auf meinem Platz stand schon mein Müsli und meine Milch.
Meine Mutter ist einfach spitze. Sie heißt Margarete Löwe, wobei Löwe unser Familienname ist. Am meisten bewundere ich bei ihr, dass sie auch morgens um halb sieben schon gut gelaunt ist. Wahrscheinlich liegt es daran, dass mein Vater Hans schon zur Arbeit gegangen ist und sie die Zeitung für sich alleine hat. Mein Vater ist Bauleiter einer großen Baufirma und geht meistens schon um halb sechs aus dem Haus, da er fast eine Stunde zur Arbeit fährt. Manchmal ist er auch die ganze Woche auf Montage. Die Organisation unserer kleinen Familie hat ganz allein meine Mutter, die halbtags im Büro des Klärwerkes arbeitet. Übrigens habe ich keine Geschwister. Ich bin 15 Jahre und freue mich auf jeden Tag, der das Schulende näher bringt.
Ich setzte mich also auf meinen Platz am Küchentisch. Meine Mutter blätterte schon in der Zeitung, sah mich kurz an und machte eine abfällige Bemerkung über die Geschwindigkeit meiner ”Morgentoilette”. Eigentlich macht sie jeden morgen so eine Bemerkung wie z.b. - ist der Wasserhahn kaputt- oder -hat uns das Wasserwerk schon das Wasser abgedreht- oder - dein Kamm hat wohl nur noch einen Zinken -. Heute morgen meinte sie ob sich die Zahnbürste hinter dem Spinngewebe an meinem Handtuch versteckt hätte.
Na ja, bis auf ihre Bemerkungen scheint es ihr ziemlich egal zu sein wie ich zur Schule gehe. Nur eines ist ihr ganz wichtig und das ist, dass ich gehe und da kennt sie auch keine Gnade.
So machte ich mich nach dem Frühstück auf den Weg zur Schule. An der Ecke vom Bäckerladen –Mehlteig- traf ich Ulrike Mannstepp. Sie geht mit mir in eine Klasse. Wir gingen den restlichen Schulweg zusammen. Ulrike war ganz nett und sie hatte eine angenehme Stimme. Das musste sie allerdings auch haben, denn sie quasselte in einem fort. Als sie dann sagte, daß sie noch gar keine Stelle für das Praktikum habe wurde ich auf einmal auch ziemlich nervös. Noch zwei Tage, dann sollten wir Frau Pilscher unserer Klassenlehrerin sagen, wo wir unser Praktikum machen wollten. Wenn wir keine Stelle haben, wollte sie sich darum bemühen. Bloß das nicht. Wohlmöglich sollte ich dann ein Praktikum beim Friseur machen oder in einem Schönheitssalon. Wie sagt Frau Pilscher doch immer: Das Praktikum ist die beste Möglichkeit, einen Einblick in das Berufsleben zu bekommen. Und wahrscheinlich auch die beste Motivation mit der Schule weiterzumachen. Eigentlich ist beides blöd. Für die Schule gibt es keine Knete und für ́s Praktikum auch nicht. Dabei spare ich schon wie blöde mein Taschengeld um mir endlich meinen Traumcomputer zu kaufen. Meine Mutter legt auf jeden Fall nichts dazu. Soviel ist schon klar.
Ulrike meinte, das es am besten sei es ein Praktikum im Einzelhandel zu machen, weil man sich da nicht kaputt macht und oftmals auch auf Personaleinkauf ein paar Klamotten preiswert bekommt.
Unser Schulweg durch die Kaiserstraße gestaltete sich heute ein wenig anders als sonst, da wir vor fast jedem Geschäft stehen blieben und überlegten, ob wir hier oder da wohl eine Praktikumstelle kriegen würden.
Schon seit 10 Jahren gehen wir diesen Weg und kennen fast jedes Geschäft auf unserer Kaiserstraße, der Hauptgeschäftsstraße unserer Stadt. Doch an diesem morgen war etwas anders. Nun ich weiß nicht was, aber wie von einem Magneten angezogen blieben wir vor dem Schuhgeschäft –Paßtgut- stehen. Nicht das einer von uns neue Schuhe haben mußte! Obwohl Ulrike eigentlich immer etwas neues gebrauchen konnte. Natürlich nur zum angeben. Nein, wir schauten uns die Auslagen an und schlenderte zum nächsten Schaufenster. Es war das Schaufenster des Optikers –Durchblick-. Auch dort sahen wir uns die Auslagen an. Währenddessen putzte ich meine eigene Brille. Schon wollte ich weitergehen, als ich etwas bemerkte, was ich in all den Jahren noch nicht bemerkt hatte. Genau zwischen den Geschäften Paßtgut und Durchblick gab es noch einen Eingang. Es war eine normale Holztüre. Eine Alte etwas verwitterte Holztüre aus Eiche. An dieser Türe hing ein kleines Schild worauf das Wort “Nedalhcsnuw” stand. Nedalhcsnuw, klingt sehr ausländisch dachte ich mir und wollte schon weitergehen als ich noch einen kleinen Zettel an der schäbigen alten Eichentüre sah. Ich wurde neugierig und ging näher heran um das mit sehr krakeliger Schrift geschriebene zu entziffern. “Verkäufer gesucht” stand darauf.
„He, Ulrike komm mal her“ rief ich. „Was ist denn.“ „Sag mal; ist dir das Geschäft schon mal aufgefallen?“ fragte ich. Worauf mir Ulrike nur einen Vogel zeigte und meinte: „Bei dir piept es wohl. Das ist doch kein Geschäft. Da ist ja noch nicht einmal ein Schaufenster oder eine sonstige Auslage.“ „Was heißt hier, bei dir piept es wohl“, sagte ich. „Das einzige was bei mir piept ist mein Morgenwecker und den habe ich erfolgreich erledigt.“ Ich zeigte mit meinen Fingern auf den Zettel und Ulrike las und sagte: „Vielleicht nehmen die ja auch ein paar Praktikanten. Wahrscheinlich währe es ja eine tolle Aufgabe, die Passanten weit genug um die Türe herum zu schicken, damit sie sich nicht schmutzig machen.“ „Also, mir macht das bisschen Staub nichts aus“, sagte ich „und du kannst dich ja mal mit Staubwischen beschäftigen.“ „Vielleicht ist es ja eine ausländische Reinigungsfirma. Nedalhcsnuw,“ versuchte Ulrike zu lesen. In kleinen Buchstaben darunter stand Inhaber Peter Himmlisch. „Den Namen des Inhabers kann man wenigstens aussprechen.“ Aber Ulrike versuchte nochmals Nedalhcsnuw zu lesen und meinte, dass es sich vielleicht um eine asiatische Nudelsuppe handeln könnte. Ich las die letzten Buchstaben „. snuw“ und meinte: „Vielleicht verkaufen die ja Taschentücher.“
„Wir müssen weiter, sonst kommen wir zu spät“ sagte Ulrike und wir gingen weiter ohne das wir uns noch ein anderes Geschäft ansahen. Unterwegs sagte ich zu Ulrike, dass ich da am Nachmittag mal rein gehe und nachfrage ob die auch einen oder zwei Praktikanten nehmen . Die Möglichkeit bestand ja, denn ich glaube kaum, dass der Himmlisch so schnell einen Verkäufer findet. Wer will schon in so einem Schmuddelladen arbeiten.
Gerade als der Schulgong ertönte kamen wir auf den Schulhof und gingen in unsere Klasse. Wie nicht anders zu erwarten war, ermahnte uns Frau Pilscher dass wir ihr spätestens bis morgen eine Stelle nennen, wo wir unser Praktikum machen. Tatsächlich hatte sie auch schon in einigen Geschäften angefragt. Mit Blick auf Ulrike meinte sie, das im Schönheitssalon “Faltenfrei” gerne noch eine Praktikantin genommen wird. Ulrike blickte zu mir rüber und wir mussten beide grinsen, ja fast hätte ich laut losgelacht. Die anschließende Schulstunde war dann auch weniger zum Lachen.
Nach Stunden großer schulischer Qualen, ich war schon fast zu hause, holte mich Ulrike, die wie immer mit ihren Freundinnen Gaby und Eva ging, ein und fragte: „Sag mal, willst du wirklich in den komischen Laden und fragen ob du da ein Praktikum machen kannst? Du weißt doch noch nicht einmal, was das für ein Geschäft ist. Vielleicht ist das ja auch ein illegales. Oder die handeln mit, wer weiß was. Allein der Geschäftsname ist doch merkwürdig. Den kann man sich doch gar nicht merken. Wie war der doch noch. Irgend etwas mit Nudeln oder.“ „Nun halt doch mal die Luft an. Vielleicht holst du auch mal Luft zwischen den Sätzen. Was mich betrifft ist alles besser als der Schönheitssalon von der Faltenfrei.” “Ja, wahrscheinlich hast du recht. Bei der Faltenfrei möchte ich allerdings auch nicht mein Praktikum machen. Die will doch nur eine billige Arbeitskraft für, was weiß ich. Vielleicht Handtücher waschen, Laufbursche spielen, kehren oder sonst was. Ich kann mir auch nicht vorstellen das man als Praktikant schon eine Pediküre machen darf. Und selbst wenn, habe ich keine Lust auf anderer Leute Füße. Weißt du was, ich komme mit. Ich kann dich doch da nicht alleine reinlassen.” In Wirklichkeit wollte ich mich nicht in diesem Laden bewerben. Aber konnte ich jetzt vor Ulrike einen Rückzieher machen? „Ja, wenn du meinst, schlage ich vor das wir uns am halb drei am Bäckerladen treffen” sagte ich schließlich. “OK, bis dann”.
Nachdem ich mir eine Suppe, die meine Mutter mir vorbereitet hatte, aufgewärmt und gegessen hatte, machte ich noch meine Matheaufgaben und schrieb Mutter, die meistens so um 3 Uhr von ihrer Büroarbeit kam, noch einen Zettel, daß ich auf Stellensuche bin. Natürlich wollte mich meine Mutter auch schon beim Wasserwerk unterbringen. Da habe ich aber nicht mitgemacht. In einem langweiligen Büro sitzen; dazu habe ich ja schließlich auch keine Lust.
Als ich schließlich am Bäckerladen ankam, wartete Ulrike schon dort und erzählte mir, dass sie im Bäckerladen gefragt habe, ob man dort nicht auch einen Praktikanten nehmen würde. Herr Mehlweiß der Bäckermeister würde gerne einen
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Praktikanten oder eine Praktikantin nehmen. Einzige bedingen wäre, das der dann auch um 5 Uhr morgens da sein müsse. “Was, um 5 Uhr morgens” platzte es aus mir raus und Ulrike meinte: „Jetzt hast du gekuckt, als ob dich jeden Moment der Blitz treffen würde”. „Kein Wunder, 5 Uhr morgens ist keine Zeit zum aufstehen. Ich glaube da würde ich meinen Piepwecker sogar aus dem Fenster schmeißen.” Inzwischen waren wir in Höhe des Schuhgeschäftes Paßt-gut angekommen und steuerten auf den kleinen Eingang vor dem Optikergeschäft Durchblick zu. Wir standen vor der alten verwitterten Eichentüre als Ulrike meinte: „Warte, ich will mich nur noch ein wenig zurecht machen, damit wenigstens einer von uns einen guten Eindruck hinterlässt.” „Was heißt hier zurecht machen? Und wieso meinst du eigentlich das ich keinen guten Eindruck hinterlassen würde.” „Nun ja, als Dressman kannst du wahrscheinlich nicht durchgehen aber ich denke mir, daß auch ein Verkäufer auf sein Outfit achten sollte. Ich will mir nur noch ein wenig Lippenstift auftragen.” Ulrike nahm ihren Lippenstift und einen kleinen Spiegel aus ihren kleinen Rucksack, den sie fast immer dabei hatte. Sie sah mich an und als ich meinte, daß sie sich vielleicht doch besser bei der Faltenfrei bewerben sollte, drehte sie sich weg, um unbeobachtet ihre Lippen mit einem Kaminroten Lippenstift nachzuziehen. Ich wandte mich der Türe zu und bemerkte, daß die alte Türe gar keinen Türgriff hatte und suchte nach einer Klingel. Doch bevor ich einen Klingelknopf sehen konnte, spürte ich eine Hand auf meiner rechten Schulter und zuckte erschrocken zusammen. Als ich meinen Kopf drehte und feststellte, das es Ulrike war fragte ich sie. „Sag mal, willst du das ich einen Herzinfarkt kriege. Ich habe mich total erschrocken und...” noch bevor ich weiterreden konnte hielt mir Ulrike ihren Spiegel direkt vor die Nase.
Ich sah sie an und meinte nur “Spieglein, Spieglein an der Wand wer ist der coolste im ganzen Land.”
Ulrike grinste von einem Ohr zum anderen und ich konnte sehen wie es in ihren Augen funkelte. „Martin, rate mal was ich entdeckt habe?” Fragte sie mit so einem Unterton und ich sagte ganz spontan “Amerika, ja du hast sicher Amerika entdeckt.” „Du Blödian” meinte sie uns streckte mir die Zunge raus. „Nein ich habe entdeckt was mit dem Wort auf dem Türschild gemeint ist” “Wie meinst du das? Ich glaube ich kann dir nicht ganz folgen.” „Nun ja, als ich mich eben umdrehte um mir meine Lippen nachzuziehen, bemerkte ich, dass das Wort Nedalhcsnuw vielleicht von hinten nach vorne geschrieben ist. Hier sieh in den Spiegel. Was meinst du?” “ Ist ja ein Ding. Wenn man es von hinten lesen würde hieße es -Wunschladen-.” “Genau” „Aber du bist nicht die einzigste die hier was entdeckt hat. Ich habe festgestellt, das die Türe gar keinen Türgriff hat und eine Klingel gibt es auch nicht. Irgendwie ist es ja doch ein bisschen merkwürdig.” „Ja, merkwürdig ist der richtige Ausdruck und ich meine das ganze ist auch ziemlich geheimnisvoll. – Wunschladen-? Was soll denn das für ein Geschäft sein. Und warum steht das Wort verkehrt herum geschrieben auf dem Türschild?” „Ich weiß nicht. Wir können ja mal klopfen und fragen warum“... bevor ich meinen Satz zu Ende gesprochen hatte war Ulrike schon bei der Türe und klopfte mit der Faust auf die alte Türe drehte sich dann sofort rum und meinte zu mir: „Komm wir gehen, das hier ist doch nur ein Witz”. Doch dann hörten wir eine laute Stimme: „Der nächste bitte- der nächste bitte”.
Ulrike und ich guckten uns erstaunt an, sahen dann zur Türe und hörten von innen nochmals jemanden sagten: “Der nächste bitte - der nächste bitte-”. Ich löste Ulrikes Hand von meinem Arm und ging einen Schritt vor und legte meine Hand an die Türe um sie aufzudrücken und was mich dann auch sehr erstaunte war, dass sich die alte schwere Eichentüre tatsächlich in Bewegung setzte. Sie ging ganz langsam nach
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innen auf wobei sie bei jedem Zentimeter die sie sich öffnet vor sich hin quietschte. So wie eine alte Türe die man seit Jahren nicht mehr geöffnet hatte und dringend ein paar Tropfen Öl gebrauchen konnte. Ich sah Ulrike an. Man konnte ihr ansehen, dass ihr die Angelegenheit auch ziemlich unheimlich vorkam und ich fand es ebenfalls nicht normal und mir fehlten im ersten Augenblick die Worte. Doch dann griff ich nach Ulrikes Hand und sagte “ komm wir gehen mal rein, was soll schon passieren?” „Ich weiß nicht so recht. Aber eigentlich hast du recht. Komm wir gehen rein“. Wir überschritten beide gleichzeitig die Türschwelle. Mir kam ein leichter Wind entgegen und auch Ulrike sagte, dass ihr ein kühler Windhauch übers Haar streifte. Im ersten Moment dachten wir daran zurückzukehren aber als ob uns eine unsichtbare Hand schieben würde, konnten wir nicht mehr zurück. Obwohl wir ganz langsam gingen, hatte ich das Gefühl das alles ganz schnell ging. Ulrike meinte, dass der Türrahmen aus Spiegelglas sei und daher konnte ich mir denken, dass ich mich im Türrahmen gesehen hatte. Ich hatte ein merkwürdiges Gefühl in der Magengegend. Die dicke Türe fiel plötzlich und unerwartet mit einem lauten Knall hinter uns zu. Kein anderer war zu sehen und der Windzug, den wir spürten, war für eine solch massive Türe sicherlich zu schwach. Als die Türe sich ins Schloss warf, drehten wir uns um und ich meinte in der Türe ein lachendes Gesicht zu sehen. Nun standen wir hinter der Türe und direkt vor uns war ein langer bis zum Boden reichender dunkelroter Vorhang. Ulrike und ich sahen uns an und noch bevor einer von uns eine Bemerkung machen konnte, hörten wir wieder die Stimme: Der nächste bitte, der nächste bitte. Ich weiß nicht was mit Ulrike passiert ist. Aber die sonst doch so vorsichtige und eher zurückhaltende Ulrike ging einen Schritt vor und zog den großen Vorhang zurück. Wir ließen den Vorhang hinter uns und standen zwei Schritte vor einer Treppe, die in einen großen Raum hinunterführte.
2. Der Wunschsaal
Wir standen hier oben und blickten in einen großen Raum, ja ich möchte meinen, es war schon ein großer Saal. „Das kann doch nicht möglich sein“ meinte Ulrike „ zwischen den Geschäften Paßt-gut und Durchblick kann unmöglich ein so großer Raum sein.“ „Du hast recht“ sagte ich. Und als ich noch überlegte ob wir nicht doch besser den Rückweg nehmen sollten, begannen in dem großen Saal überall an den Wänden Fackeln zu brennen . Ulrike und ich beschlossen nun die Treppe hinunterzugehen. Bei jedem Schritt knarrten die alten Holzstufen. Als wir die Hälfte der Stufen hinter uns hatten, hörten wir hinter uns ein Geräusch. Wir drehten uns um und sahen einen großen, graugefleckten Hund auf der oberen Stufe der Treppe stehen. Ich merkte wie ich blass wurde. Kalter Schweiß stand mir in sekundenschnelle auf der Stirn. Der Hund knurrte und flechte seine Zähne. Ich konnte ganz genau die großen weißen Eckzähne sehen. Meine Knie wurden ganz weich und hätte sich nicht Ulrike ganz dich zu mir gestellt währe ich vielleicht sogar in Ohnmacht gefallen. Jeden Moment konnte der Hund oder war es sogar ein Wolf auf uns losgehen. Vor großen Hunden habe ich einen ungeheuren Respekt um nicht zu sagen ich hatte Schiss. „Was sollen wir tun“ kam es ganz leise aus mir heraus. Ich konnte kaum sprechen. Mir fehlte die Spuke und mein Hals war wie ausgetrocknet. Ulrike sah mich nicht besonders fröhlich an als sie sagte: „Das ist ein Kampfhund“. Wir standen wie angewurzelt mitten auf der Treppe und wagten uns nicht zu rühren, als, ja als Ulrike meinte: „Eigentlich beißen Hunde ja nur Briefträger“. Natürlich weiß ich, dass es vollkommener Blödsinn ist aber ich merkte, wie ich wieder Luft bekam. Zu unserem Glück stellten wir fest, das der Hund keine anstallten machte die Treppe
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hinunterzukommen. Was sollten wir tun? Der Rückweg war uns von dem Riesenköter versperrt; Also gingen wir die Treppe weiter nach unten. Am Ende der Treppe angekommen, standen wir vor einem Tisch auf dem ein großer Vogelkäfig platziert war und in diesem Käfig saß ein wunderschöner Papagei. Ich blickte mich um und schaute die Treppe rauf. „Er ist weg“ . „Ja, wir sind auch keine Briefträger“ scherzte Ulrike. Der Papagei schien uns genau zu mustern und plötzlich sagte er: „Die Schuhe aus, die Schuhe aus.“
Ulrike und ich sahen uns an und uns wahr klar, dass wir diese Stimme schon einmal gehört hatten. „Das ist die Stimme die auch –der nächste Bitte- gesagt hat“, meinte Ulrike und ich gab ihr recht. „Ein Papagei der spricht“. Ich sah mir den Papagei etwas genauer an. Er hatte ein buntes Federkleid und seine Augen wirkten unheimlich. Ich hatte ein Gefühl, als ob der Vogel durch mich hindurchsehen könne. Meine Betrachtung wurde durch ein lautes rufen: „Die Schuhe aus, die Schuhe aus“ unterbrochen. Während sich Ulrike bückte um sich die Schuhe auszuziehen meinte ich: „ Ich glaub ich spinne. Ich ziehe mir doch nicht meine Schuhe aus, nur weil das so ein Vogel sagt.“ Ulrike und ich sahen uns an und wir ließen unsere Blicke im Saal herumwandern. Vor uns lag ein dicker Teppich und auf der anderen Seite von diesem Teppich, der ein orientalisches Muster hatte, stand ein großer Schreibtisch. Hinter dem Schreibtisch befand sich eine Türe und neben der Türe war ein offenes Regal auf dem eine Menge unterschiedlicher Dosen standen. Auf der linken Wand, von uns aus gesehen, waren Regale mit großen Einmachgläsern. Und in diesen Gläsern schien es in unterschiedlichsten Farben zu qualmen. Als mein Blick auf die rechte Wandseite fiel, blieb mir fast das Herz stehen. Ich stupste Ulrike an und zeigte auf die an dieser Wand hängender Skelette, die in Spingewebe eingehüllt waren. Und noch bevor ich meinen vor erstaunen offenen Mund wieder zumachen konnte, kreischte uns dieser Papagei in Ohr: „Die Schuhe aus- die Schuhe aus“. Ich meinte nur in Richtung des Papageien. „Halts Maul“ und sagte dann zu Ulrike: „Komm lass und mal zu dem Schreibtisch gehen.“ Wir gingen los und als ich auf dem Teppich war, spürte ich, das ich meine Beine nicht mehr bewegen konnte, während Ulrike schon zwei Meter vor mir entfernt war. Entsetzt rief ich: „Ulrike, ich klebe fest, ich kann mich nicht mehr bewegen. Ulrike kam zurück und guckte mich an, als ob ich nicht mehr alle Tassen im Schrank hätte. Wir versuchten meine Füße mit einem Ruck zu bewegen. Nichts geschah. Allmählich bekam ich Panik. Ich stand hier in einem doch etwas seltsamen, wenn nicht gar unheimlichen Raum und konnte mich nicht bewegen. Noch während ich mit Ulrikes Hilfe versuchten meine Füße irgendwie zu bewegen, öffnete sich die Türe hinter dem Schreibtisch auf der anderen Seite des Raumes. Ein heller Lichtstrahl fiel in den dämmrigen Saal und jemand trat durch diesen Lichtstrahl in den Raum. Sein Schatten fiel über den ganzen Teppich bis direkt vor meine Füße. Mir lief ein eiskalter Schauer über den Rücken und Ulrike stand neben mir mit weit offenem Mund und noch bevor sie ein Wort sagen konnte, sahen wir, dass der Schatten auf uns zukam. „Was sollen wir jetzt machen“ flüsterte Ulrike mir zu aber ich konnte nichts sagen, so trocken war meine Kehle. Als der Schatten näher kam, konnten wir erkennen das es sich um einen alten Mann mit grauen Haaren und einem langen Bart handelte. Er hatte ein etwas rundliches Gesicht und er machte einen ernsten Gesichtsausdruck. Ich versuchte nochmals meine Füße zu bewegen, was mir allerdings nicht gelang. Der alte Mann blieb vor uns stehen, musterte mich und fragte: „Hat der Papagei nichts gesagt?“ Genau in diesem Moment rief der Papagei: „Die Schuhe aus – bitte die Schuhe aus“. Und genau nun fiel uns auf, das Ulrike ja ihre Schuhe ausgezogen hatte und sie klebte nicht fest.
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Ich hatte meine Schuhe angezogen und kam nicht mehr von der Stelle. Der alte Mann ging um uns herum und musterte uns von oben bis unten. Er blieb vor uns stehen, sah zu der Wand mit den Skeletten herüber und sagte“:Für manch einen hat es schon ein böses Ende gegeben). Ulrike faste meine Hand und flüsterte mir zu: „Martin, ich habe richtige Angst“. Auch ich spürte wie mein Herzschlag sich erhöht hatte und das schlimmste war, das ich noch nichteinmalmall weglaufen konnte, wenn es nötig gewesen wäre. Der alte Mann musste ein wenig lächeln und sprach ein paar Worte vor sich hin, die ich aber nicht verstehen konnte. Dann wandte er sich mir zu und sagte: „ Du musst jetzt rückwärts gehen und zwar mit dem rechten Fuß zuerst.“ Ich versuchte, was mir der Alte sagte und tatsächlich konnte ich meinen rechten Fuß zurücksetzen. Der linke Fuß folgte wie von selber und ich stand wieder vor dem Teppich. Rasch hüpfte ich ein paar Mal hin und her und freute mich doch sehr, dass ich meine Füße wieder bewegen konnte. Auch der Papagei musste sogleich seinen Senf dazugeben und krächzte “: Schuhe aus, Bitte Schuhe aus“
„ Tue wie dir Alkor sagt und zieh auch du die Schuhe aus und folge mir „ sprach der Alte und ich tat was er sagte. Ulrike sah mich an, sah auf meine Füße und meinte: „Mit so einem Loch im Socken hätte ich an deiner Stelle auch meine Schuhe angelassen.“ Noch bevor ich einen passenden Kommentar dazu abgeben konnte, rief der Papagei, der offensichtlich Arkor hieß: „ Käsealarm, Käsealarm“. Auch der alte Mann drehte sich um und meinte voller entsetzen: „Was richt hier so komisch?“ Er sah mich an, schüttelte nur mit dem Kopf und fragte, wie man denn in so Socken laufen kann und ob ich die schon länger als ein Jahr anhabe. Ich bekam einen roten Kopf und Ulrike hielt sich die Nase zu und wiederholte was schon Arkor der Papagei rief: „Käsealarm, Käsealarm“. Der alte Mann hingegen griff in eine kleine Tasche, die an seinem Gürtel hing, holte ein Pulver heraus und mit einem mir nicht verständlichen murmeln warf er des Pulver in die Luft. Sogleich verspürten wir einen Luftzug als ob jemand Durchzug gemacht hätte und Ulrike atmete tief durch und schaute mich an. „So schlimm war es nun wieder auch nicht“ flüsterte ich ihr zu . An dem Schreibtisch angekommen fragte ich sogleich: „Sind sie Herr Himmlisch und....“ der alte Mann hob die Hand und ich sprach nicht mehr weiter. „Ich bin Administrateur. Bitte nehmen sie hier platz und warten sie einen Augenblick“. Wir setzten uns auf die Stühle die vor dem Schreibtisch standen und sahen, wie der Administrateur in der Türe, aus der er gekommen war, verschwand. Ulrike und ich sahen uns an. Wir ließen unsere Blicke nochmals durch den Saal wandern. „Ich weiß nicht was ich davon halten soll. Mir ist das doch ein bisschen unheimlich. Auf jedenfalls ist das kein normales Geschäft. Und die Dosen da im Regal sehen auch nicht wie Suppendosen aus. Ich schlage vor, dass wir hier verschwinden und am besten sofort“. „Verschwinden? Und dann klebe ich wieder an dem blöden Teppich fest. Ich kann mir nicht erklären was das war. Aber wahrscheinlich hast du recht. Komm wir hauen hier ab bevor wir hier wohlmöglich an den Stühlen festkleben.“ In diesem Augenblick öffnete sich die Türe und obwohl ich versuchte etwas zu sehen, war es mir nicht möglich. Das helle Licht, das aus der Türe schien, blendete mich total und erst als sich die Türe wieder schloss sah ich, einen Menschen auf den Schreibtisch zukommen. Es war ein kleiner Mann, ja ich möchte behaupten es war ein Liliputaner, mit einer Glatze und einer runden Brille auf der Nase. Er setzte sich auf die andere Seite des Tisches, sah uns über seine Brille an und fragte: „ Was für Wünsche haben sie?“ „ Wir kommen wegen des Schildes draußen an ihrer Türe“ „Ja, stimmte Ulrike mit ein „Wir haben gesehen, dass sie einen Verkäufer suchen“. „ „Und jetzt wollen sie sich auf die Stelle bewerben?“ Fragte der Liliputaner. „Eigentlich nicht direkt“ warf ich ein „wir wollten nur fragen, ob wir hier unser Praktikum machen können.“ Der
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Liliputaner sah uns an und meinte dann, dass er eigentlich auch keinen richtigen Verkäufer suchte und fragte uns nach unseren Namen. „Ich heiße Ulrike Mannstepp“, „ und ich Martin Löwe“ sagten wir fast gleichzeitig. „Ich heiße Himmlisch“ sagte der Liliputaner, „weil ich schon als kleines Kind immer in den Himmel wachsten wollte“ sagte er lachend. „Eigentlich suche ich für eine Zeitlang ein paar, ja ich will sagen, ein paar Handlungsgehilfen. Wenn ihr Lust habt könnt ihr hier bei mir arbeiten“ „ Ist das auch nichts illegales. Was müssen wir den tun“ fragte Ulrike und Herr Himmlisch sah sie an und meinte: „Es ist nichts illegales aber manchmal hat es mit eigenartigen Aufgaben zu tun.
„Was verkaufen sie in ihrem Geschäft eigentlich“ wollte ich wissen und sah mich nach allen Seiten um. „ Mein Geschäft ist es, den Menschen die zu uns kommen ihre Wünsche zu besorgen bzw. wiederzufinden, wenn diese verlorengegangen sind.“ Seht ihr die Einmachgläser dort auf der Seite? Darin sind zum Beispiel Wünsche, die einmal verlorengegangen waren und die wir wiedergefunden haben, die aber noch nicht wieder von ihrem Besitzer aufgeholt worden. Und somit haben wir sie auf Lager. Ihr müsst wissen, das wir weltweit tätig sind. Hinter mir auf dem Regal stehen Wunschdosen. Darin sind Wünsche die sich noch nie einer gewünscht hat“ und als ob er meine Gedanken lesen konnte ging sein Blick auf die Skelette an der anderen Wandseite und ich fragte „und die Skelette?“ „Ja, die Skelette, mit denen ist es so eine Sache. Das sind die Skelette von Wunschräubern, die versucht haben besonders wichtige Wünsche zu rauben und dabei einige Gefahren übersehen haben und so zu Tode gekommen sind.
„Und welche Aufgaben haben wir, wenn wir ihr unser Praktikum machen? Ich staube auf jeden Fall kein Skelett ab“ „Euere Aufgabe ist es, den Menschen bei der Erfüllung ihrer Wünsche zu helfen. Mehr nicht.“ „Nehmen sie denn uns beide“ fragte ich. „Ja, ich nehme euch beide und es währe wirklich eine große Freude, wenn ihr schon morgen mit der Arbeit beginnen könntet.“ Herr Himmlisch begleitete uns dann über den Teppich und ich fragte ihn. „Wieso bin ich den auf dem Teppich kleben geblieben und wieso müssen wir denn die Schuhe ausziehen um über den Teppich zu gehen. Warum dürfen sie die Schuhe anbehalten?“ „Das ist ganz einfach“ antwortete Herr Himmlisch. „Der Inhaber dieses Teppichs ist von 2000 Jahren gestorben und sein letzter Wunsch war es, dass der Teppich nicht mit unreinen Füßen betreten werden sollte. Und dieser Wunsch ist ihm bis heute in Erfüllung gegangen. Meine Mitarbeiter und ich haben Spezial beschichtete Schuhe und darum können wir über den Teppich gehen“ Ulrike und ich zogen unsere Schuhe auf der anderen Seite des Saales wieder an. Wir sahen zur Treppe hinauf und stellten fest, das der Hund nicht mehr da war. Ulrike sah Herrn Himmlisch an und noch bevor sie fragen konnte, kam auch schon die Antwort. „Der Hund heißt Wolf und ist ein guter und treuer Geselle. Er kennt die Menschen genau und kann hervorragend Spuren lesen. Habt keine Angst.“ Und so gingen wir die Treppe zur Türe hoch. Wir schauten uns noch einmal um, bevor wir durch den Vorhang gingen. Die schwere Eichentüre setzte sich wie von Geisterhand geführt in Bewegung und öffnete sich mit genau dem selben Quietschen wie beim erste mal, als wir sie durchquerten. Noch bevor wir wieder draußen waren, trat uns inmitten der Türe der Herr Administrateur entgegen und gab uns einen Zettel mit der Bemerkung: „Den werdet ihr brauchen“. Wir gingen nach draußen, schauten uns um und bemerkten, das der Administrateur, genau wie er gekommen war, wieder verschwunden ist. Die schwere Eichentüre schlug zu und wir öffneten den Zettel um zu sehen was darauf geschrieben stand.
Hiermit wird bescheinigt, das die Schüler Ulrike und Martin, ihr Praktikum in meinem Geschäft machen.
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Unterschrift H. Himmlisch
Wir sahen uns an. „Ulrike, ich glaube es wird eine interessante Zeit werden. Nun lass uns nach hause gegen. Es ist sicher schon gleich 6 Uhr“. Ulrike sah auf ihre Uhr und meinte“ Ich glaube meine Uhr ist stehen geblieben. Ich habe immer noch 1⁄2 3 Uhr“. „Auf meiner Uhr ist es auch noch 1⁄2 3 Uhr“. Zu unserem Erstaunen mussten wir tatsächlich feststellen, das es wirklich noch 1⁄2 3 Uhr war und die Zeit schien stehensgeblieben zu sein. „Komisch, aber was soll ́s. Morgen können wir Frau Pilscher mitteilen, dass wir einen Praktikumspatz haben und schon morgen nachmittag werden wir ja sehen was Sache ist."
Als am nächsten morgen um 6:30 Uhr mein Wecker piepte stand ich sofort auf, obwohl ich nicht gut geschlafen hatte. Meine Müdigkeit bekämpfte ich mit kaltem Wasser. Meine Mutter sah auf die Uhr, hielt diese dann ans Ohr und meinte: „ Meine Uhr geht wohl falsch oder fängt die Schule jetzt früher an.“ Ich sagte nichts, frühstückte und machte mich auf die Socken. Ulrike holte mich gleich hinter dem Bäckerladen ein. „Du bist aber früh heute“. „Ja, ich will noch mal an dem Wunschladen vorbei. Mal sehen ob ich nicht geträumt habe“ „ Hast du nicht, denn sonst hätten wir den gleichen Traum gehabt.“ So war es denn auch. Zwischen dem Schuhgeschäft –Paßtgut- und dem Optiker –Durchblick- war der kleine Eingang mit der rustikalen Eichentüre. Und der Zettel, Verkäufer gesucht, war verschwunden.
Wir sahen uns an und setzten unseren Schulweg fort. In den ersten zwei Stunden hatten wir Mathe bei Herrn Arnold, der uns zum Ende der Mathestunde mit einem „Wie schön, dass ihr jetzt eine Woche lang Praktikum macht. Aber es wäre noch schöner, wenn ihr nicht alles vergesst, was ihr gelernt habt“, verabschiedete. Nach der Pause war es soweit. Wir mussten Frau Pielscher unsere Praktikumstelle mitteilen. Wir gaben ihr den Zettel, den wir von Herrn Administrateur erhalten hatten und Frau Pielscher nahm ihn und fragte zu meinem Erstaunen auch nicht nach. Entweder sie war zu beschäftigt oder der Laden war vielen bekannt, nur Ulrike und mir nicht. Nach der Schule lud mich Ulrike noch zu einer Cola im Café – Schulschwänzer- ein. Wir sprachen und gegenseitig Mut zu, bevor wir uns auf den Weg zu unserer gemeinsamen Praktikumstelle machten.
Der Auftrag
Hier standen wir nun wieder vor der alten Eichentüre. Nach bevor ich anklopfen konnte hörten wir den Papageien „der nächste bitte, der nächste bitte“ rufen. Und abermals öffnete ich die Türe wie von Geisterhand. Wir gingen hindurch und mutiger als gestern betraten wir die Treppe, die zum großen Saal hinunterführte. Bevor ich über die letzte Stufe ging, sah ich den Papageien an. Ich schaute ihm feste in die Vogelaugen und sagte so durchdringend ich nur konnte: „Die Schuhe aus, die Schuhe aus“. Der Papagei war offensichtlich überrascht, denn er antwortete nur mit einem „Ja, Ja, Schuhe aus“ in einem ziemlich beleidigenden Tonfall. Es war wie gestern. Wir begannen unsere Schuhe auszuziehen und der Papagei fing sogleich an zu schreien: „Käsealarm, Käsealarm“. Ulrike lachte los. „Der Papagei lernt schnell. Und ich meine auch, dass du mal deine Socken wechseln könntest“. „Ich habe sie absichtlich nicht gewechselt. Wer weiß ob ich wieder an dem blöden Teppich festklebe“. Wie gestern brannten die Fackel an den Wänden und noch bevor wir den Teppich überquert hatten, öffnete sich die Türe hinter dem Tisch und der Herr Administrateur kam auf uns zu. „Sehr schön, sehr schön. Ich habe euch zwei Sitzgelegenheiten links neben den Tisch bereitet. Setzt euch und wartet“. Wir setzten uns und ließen unsere Blicke umherwandern. „Die Sessel sind schön
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bequem. Da kann man bestimmt gut drin schlafen“ meinte ich zu Ulrike gekehrt. Es waren in der Tat sehr große und bequeme Sessel. Auch auf dem Tisch standen heute Dinge, die gestern noch nicht da waren. Zum Beispiel so eine alte Kasse, wie sie frührer einmal üblich war. Mit einer Kurbel an der Seite und Ornamente ringsherum. Ein dickes Buch lag auf dem Tisch und auf einem kleinen Tablett standen vier Tassen und eine Kanne. Ich glaube mit Tee darin. Der Herr Administrateur stand vor dem Regal mit den Gläsern und notierte sich etwas in ein dunkelgrünes Notizbuch. Er drehte sich um, lächelte uns zu und ging an uns vorbei. Er verschwand in der Türe aus der er gekommen war. Es war totenstill in dem Saal. Nicht das kleinste Geräusch war zu hören. Weder von der Straße noch aus dem Raum hinter der Türe. „Sollen wir mal nach sehen was hinter der Türe ist“ fragte ich und bevor Ulrike antworten konnte stand ich auf und war schon fast an der Türe als sich diese zu öffnen begann. Mit einem Satz sprang ich zurück und ließ mich in den Sessel fallen. Ein heller Lichtstrahl drang aus dem Raum hinter der Türe und erleuchtete den Saal in ein helles Licht. Die Türe schloss sich und es war wieder so wie vorher. Außer, wir hatten es gar nicht bemerkt, das Herr Himmlisch plötzlich vor uns stand. Er gab uns die Hand. „Ich wusste, das ich mich auf euch verlassen kann. Es kommt auch gleich der erste Kunde.“ Herr Himmlisch hatte es kaum gesagt, da hörten wir den Papageien schreien: „Der nächste bitte, der nächste bitte.“ „Warum schreit das Vieh immer der nächste bitte“ wollte ich wissen und Herr Himmlisch stand auf, kam auf mich zu und meinte: „ Das ist nicht ein Vieh, dass ist Arkor und er ist sehr klug und weise. Bevor ich ihn erworben habe, hatte er in einem Arztwartezimmer gestanden.“
Es war still und in dieser Stille, konnten wir hören wie sich oben die Türe öffnete. Einen kleinen Augenblick später kam auch schon ein schlanker, großer Mann die Treppe herunter. Herr Himmlisch ging auf ihn zu und Arkor fing sogleich an zu schreien: „Bitte die Schuhe aus, bitte die Schuhe aus.“ Der Mann tat wie ihm gesagt und kam mit Herrn Himmlisch auf den Tisch zu. Herr Himmlisch führte den Mann allerdings zuerst auf uns zu und wie automatisch standen wir auf. „ Das ist Herr Krause aus der Wenzelgasse“ sagte Herr Himmlisch. „Ulrike“, „Martin“ stellten wir uns vor. „Nehmen sie doch bitte hier Platz“ sagte Herr Himmlisch und zeigte auf den Stuhl vor dem Tisch.
Herr Krause setzte sich. Ich fand das er sehr verlegen aussah. Ulrike beugte sich vor und auch ich konzentrierte mich, denn ich wollte wissen, was der Herr Krause wollte. „Was kann ich für sie tun“ fragte Herr Himmlisch und stellte gleichzeitig eine Tasse vor Herrn Krause hin und begann diese mit Tee zu füllen. Herr Krause räusperte sich und blickte kurz zu uns herüber als wolle er prüfen ob er auch reden konnte. Herr Himmlisch schien seine Gedanken gelesen zu haben, denn er sagte, bevor Herr Krause zu reden anfing: „Diese zwei jungen Menschen sind meine Mitarbeiter und ihnen ist unbedingt zu vertrauen.“ Ich sah Ulrike an und merkte das sie total rot anlief, genau wie ich. „Nun denn“ begann Herr Krause „ich komme auf Empfehlung von Dr. Pflaster. Und bevor ich bei Dr. Pflaster war, bin ich Patient von Dr. Schmerz und Dr. Weißnicht gewesen. Sie konnten mir nicht helfen. Und meine Gespräche mit meinem Therapeuten haben auch nichts gebracht. Wie soll ich ihnen denn das alles nur erklären. Nein, ich glaube ich gehe lieber. Sie werden mir sicher auch nicht helfen können“ Herr Krause stand auf, sah Herrn Himmlisch an und hatte den Stuhl schon ein wenig zurückgeschoben als Herr Himmlisch sagte: „Sie sind Lehrer, und sie fühlen sich nicht mehr Wohl in ihrer Haut“. Herr Krause drehte sich wieder um, setzte sich auf den Stuhl zurück „Woher wissen Sie das?“ „Nun, ich kann ihnen versichern, das sie nicht der erste Kunde sind, denn mir Dr. Pflaster in meinen Laden
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schickt.“ „Ja, aber ich weiß gar nicht, was ich hier soll!“ Sagte Herr Krause. „Sie haben einen Wunsch und deshalb hat sie Dr. Pflaster zu mir, in den Wunschladen, geschickt.“ „Einen Wunsch?“ fragte Herr Krause. „Ich?“ „ Ja sie!“ Herr Himmlisch nahm einen Schluck Tee und sah Herrn Krause über seine Brille hinweg an. „Trinken sie ruhig. Es ist ein guter Tee.“ Herr Krause nahm die Tasse, trank einen Schluck, atmete tief durch und sah danach auch nicht mehr so verspannt aus. Herr Himmlisch sah nun zu uns hinüber und winkte uns zu sich. „Nehmt bitte auch von dem Tee. Er ist sehr gut“ und zu Herrn Krause gerichtet sagte er: „Diese zwei jungen Leute werde ich mit ihrem Fall betreuen und sie werden sehen, das die beiden sie weiter an ihr Ziel bringen.“ Mir fiel fast die Tasse Tee aus der Hand und auch Ulrike bekam ganz große Augen. Was hatte Herr Himmlisch gesagt. Er wolle uns mit dem Fall Krause betreuen. Was für ein Fall dachte ich leise und Ulrike sah zu Herrn Himmlisch hinüber, als ob sie noch einmal eine Bestätigung haben wollte, über das, was sie gehört hatte. „Aber wie wollen sie mir helfen, wo ich doch selber gar nicht weiß was mir fehlt?“ „Sie sind krank, weil sie einen Wunsch haben, den sie aber nicht genau kennen. Und genau diese Unsicherheit, macht sie krank. Aber, mein lieber Herr Krause, ich kann ihnen versichern, dass wir der Sache auf den Grund gehen.“ „Nein, das glaube ich kaum. Ich bin hier falsch. Hier ist es auch unheimlich. Ich werde mich verabschieden. Bitte entschuldigen sie die Störung.“ Herr Krause stand auf und machte einen zweiten Versuch zu gehen. In diesem Augenblick platzte es aus Ulrike heraus: „Nun haben sie doch Vertrauen und bleiben sie doch mal cool.“ „Das ist es“ rief Herr Himmlisch. „Ja, das ist es. Ich habe die Lösung! Ich kenne ihren innersten Wunsch.“ „ Ach, reden sie doch keinen Unsinn. Sie wollen meinen innersten Wunsch kennen? Den kenne ich doch selber nicht.“ „Genau das ist es ja. Gehen sie nicht weg. Sie haben doch nur zu gewinnen und unsere Wünsche, sind nicht teuer. Um genau zu sein; kosten sie auch kein Geld“. Herr Krause blieb wie angewurzelt stehen. „Kein Geld! Sie verlangen kein Geld.“ „Nein, Geld bekommen wir von den wenigsten Kunden.“ „Was soll ich denn tun?“ wollte Herr Krause wissen. „Zunächsteinmal bitte ich sie, diesen Zettel auszufüllen und ansonsten werden sie nur ein wenig Zeit gebrauchen.“ Herr Krause nahm den Zettel und las. Es setzte sich und nahm einen Schreiber und begann auf dem Zettel zu schreiben. Soviel ich sehen konnte, war es so eine Art Anmeldezettel. Name, Anschrift, Telefonnummer. „Bitte!“ sagte Herr Krause schließlich und gab Herrn Himmlisch den Zettel. „Danke“ sagte dieser. Er nahm den Zettel, stand auf und stellte sich hinter die alte Kasse. Wir alle sahen ihn ganz erwartungsvoll an. „Dann wollen wir mal sehen“ sagte Herr Himmlisch und begann an der Kurbel der Kasse zu drehen. Die Kasse spielte eine leise Melodie. Dann sprang die Lade, in der normalerweise das Geld drin ist, auf. Von meinem Platz aus konnte ich sehen, dass da kein Geld drin war. Es war nichts darin. Die Kasse war leer. Herr Himmlisch legte den –Anmeldezettel-, den Herrn Krause sehr sorgfällig ausgefüllt hatte, in die leere Kasse hinein und schloss diese wieder. Es war ein seltsames Geräusch aus der Kasse zu verhören und wo sonst der Betrag steht, begannen sich Buchstaben wie im Kreis zu drehen und als sie aufgehört hatten sich zu drehen standen mit leuchtenden Buchstaben das Wort V E R T R A U E N da. „ Ah ha, sie wünschen sich Vertrauen. Mal sehen ob wir für sie das Richtige auf Lager haben.“ Herr Himmlisch ging zu der Türe hinter dem Tisch und drückte auf einen kleinen Klingelknopf rechts neben der Türe. Die Türe öffnete sich und aus einem hellen Licht kam der Herr Administrateur. „Vertrauen“ sagte ihm Herr Himmlisch und der Herr Administrateur ging sogleich in Richtung Regale mit den Einmachgläsern. Wir sahen ihm alle hinterher. Als der Herr Administrateur vor dem Regal stand, griff er in seine Tasche, holte einen kleinen Beutel hervor und öffnete
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diesen. Er entnahm dem Beutel eine Art Pulver und warf das Pulver in das Regal und im selben Augenblick; ich zuckte zusammen, Herr Krause machte einen Satz zurück und Ulrike hielt sich die Hände vors Gesicht, fing das ganze Regal an zu flimmern. Und zwar in den verschiedensten Farben. Aus den Gläsern fing es an zu qualmen. „Das ist sicher ein Zauber“ sagte mir Ulrike. „Oder ein Spuk“ antwortete ich. In meinem innersten fühlte ich eine gewisse Spannung. Was passiert als nächstes. Der Qualm aus den Gläsern drang allmählich zu uns hinüber. Es stinkt wie die Pest. Der Herr Administrateur ging vor dem Regal auf und ab und man konnte sehen, das er zu lesen versuchte. Nach einer Weile kam er auf uns zu. Er sah Herrn Krause an und meinte: „Tut mir sehr leid. Tut mir sehr leid. Aber Vertrauen haben wir nicht auf Lager.“ Er sah Herrn Himmlisch an und sagte: „ Verlass, Optimismus, Aussicht, Verlässlichkeit, die haben wir da aber kein Vertrauen.“ „Dann gehe ich jetzt“ sagte Herr Krause und ging auf Herrn Himmlisch zu um sich offensichtlich zu verabschieden. Herr Himmlisch stand inzwischen hinter seinem Tisch und hatte ein großes Buch aufgeschlagen und blätterte darin. „ Weil wir kein Vertrauenswunsch auf Lager haben, heißt das noch lange nicht, das wir damit nicht dienen können.“ Er schrieb etwas aus dem Buch auf ein weißes Blatt Papier. Ein zweites Blatt holte er aus einer Schublade, die in dem Tisch eingebaut war. „So, nun brauche ich nur noch eine Unterschrift von ihnen. Bitte hier!“ Er hielt Herrn Krause einen Füllfederhalter unter die Nase und sagte: „Das ist die Vollmacht für meine Mitarbeiter.“ Wir sahen Herrn Himmlisch an und zu unserem erstaunen nahm Herr Krause den Füllfederhalter und setzte seinen Namen unter das Schriftstück. „Und sie glauben, dass mir das wirklich helfen wird? Ich bin so verzweifelt. Das Leben hat doch keinen Sinn mehr“; gab Herr Krause von sich und Herr Himmlisch antwortete mit einem äußerst glücklichen Gesichtsausdruck „Herr Krause sie werden sehen, dass sie den Weg zu unserem Laden nicht bereuen werden. Und hier mit Ulrike und Martin gebe ich ihnen zwei von meinen besten Mitarbeitern mit auf den Weg.“ In diesem Augenblick hatte auch ich das Gefühl, nicht im richtigen Laden zu sein. Ulrike stieß mich an und flüsterte mir ins Ohr: „Wenn der noch so ein Mist von sich gibt, pinkel ich mir vor Lachen in die Hose. Wir seine besten Mitarbeiter. Wir wissen doch überhaupt nichts“.
Und diesesmal kam uns Herr Krause mit den unausgesprochenen Gedanken zuvor. „Auf was für einen Weg? Was meinen sie damit. Sie geben ihre Mitarbeiter mit auf den Weg?“
„Nun ja, wenn wir kein Vertrauen auf Lager haben, müssen wir es besorgen. Und dabei helfen ihnen unsere zwei Mitarbeiter Ulrike und Martin.“ Und zu uns gewandt sagte Herr Himmlisch: „ Habt keine Angst. Es kann nicht mehr als schief gehen. Nehmt diesen Zettel und befolgt die Anweisungen. Und habt acht vor Wunschräubern“. Er gab uns einen Zettel. „ Lest ihn draußen und beeilt euch, sonst holt euch noch die Zeit ein.“ Herr Himmlisch verabschiedete sich von Herrn Krause und zu uns sagte er nur: „ Ihr macht das schon. Ich habe vertrauen in euch“.
Eine Minute später standen wir draußen vor der Türe mitten auf der Kaiserstraße. „Was steht auf dem Zettel?“ wollte Ulrike wissen und Herr Krause meinte „ Ja, lies mal, vielleicht sind es ja die Lottozahlen von nächster Woche.“ Ich faltete den Zettel aus und las:
„Geht zum Samenladen von Herrn Gedeih. Holt einen Samen vom Wolkenbaum, pflanzt und gießt ihn und nach schon zwei Tagen könnt ihr der Sache auf den Grund gehen.“
Ulrike schaute auf ihre Uhr, sah Martin an und meinte: „Genau wie gestern, entweder
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spinne ich oder wir waren höchstens 5 Minuten in dem Wunschladen.“ „Du hast recht. Es ist, als ob die Zeit in dem Wunschladen nicht weiterläuft“ Herr Krause sah auch auf seine Uhr. „Tatsächlich, meine Uhr ist auch stehen geblieben“ „Glauben sie mir, ihre Uhr ist nicht stehen geblieben- die Zeit ist einfach nicht weitergegangen. Es ist als ob wir alle gar nicht in dem Wunschladen waren.“ Ulrike sah nochmals auf ihre ansonsten sehr zuverlässige Uhr. „ Herr Himmlisch hat doch was von beeilt euch, sonst holt euch die Zeit ein, gesagt. Was hat er damit gemeint.“ „Ich gehe jetzt auf jeden Fall nach hause“ warf Herr Krause ein. „ Wo wohnen sie eigentlich in der Wenzelgasse“ wollte Ulrike wissen und Herr Krause gab kurz und mürrisch seine Hausnummer bekannt. „68.“ Er machte nicht den Eindruck die Sache weiter zu verfolgen. Herr Krause wirkte eher anteilslos. Ulrike und ich überlegten, wie wir weiter vorgehen wollten. Wir verabschiedeten uns von Herrn Krause und gingen in Richtung Birkenweg. Dort war die Gärtnerei von Herrn Gedeih. Ich weiß es, da früher meine Oma da immer ihre Pflanzen gekauft hat. Unterwegs nervte mich Ulrike immer wieder mit ihren Fragen auf die ich doch auch keine Antwort hatte. „Warum ist das mit der Zeit so? Was meinte Herr Himmlisch mit Wunschräuber? Und überhaupt, was soll dieser Schwachsinn, dass wir seine zuverlässigen Mitarbeiter sind.“ „Keine Ahnung Ulrike. Aber wir werden es schon noch rauskriegen.“ Nach einem Fußmarsch von etwa einer viertel Stunde standen wir im Verkaufsraum der Gärtnerei Gedeih. Es war eine alte Gärtnerei. Nicht besonders groß und die Auswahl an Blumen und Pflanzen hielt sich auch im Rahmen. Eine ältere Dame stand hinter der Verkaufstheke und wir gingen direkt auf sie zu. „Womit kann ich euch dienen“ fragte sie sehr höflich. Ich glaube sie hatte mich erkannt. Es war Frau Gedeih persönlich. „Also wir hätten gerne Samen vom Wolkenbaum“ sagte ich. „Samen vom Wolkenbaum?“ Frau Gedeih sah uns erstaunt an. „Schickt dich deine Oma“ fragte sie. Ich sagte ihr, dass meine Oma doch schon letztes Jahr gestorben sei und sie konnte sich dann auch daran erinnern. „Samen vom Wolkenbaum“ fragte sie nochmals und Ulrike nickte. „ Also, von so einem Samen habe ich noch nie etwas gehört; den haben wir bestimmt nicht“ sagte sie und ging nach hinten in einen Raum und rief nach ihrem Mann. Dieser kam sogleich und fragte „was soll das denn für ein Samen sein?“ „Wer ist denn hier der Fachmann“ sagte ich ungeduldig, denn woher sollte ich wissen, was das für ein Samen sein soll. „Herr Himmlisch schickt uns“ sagte Ulrike. „Herr Himmlisch? Ich kenne keinen Herrn Himmlisch. Aber ich will gerne mal im Samenlager nachsehen.“ Herr Gedeih verschwand hinter einem Vorhang, der den Geschäftsraum von dem Samenlager trennte. Es dauerte einen Moment und wir hörten, wie Herr Gedeih, im Samenlager plötzlich vor sich hin murmelte: „Das gibt’s doch nicht. Unglaublich! Das habe ich noch nie gesehen. Und bestellt habe ich den bestimmt nicht.“ Der Vorhang ging zurück und Herr Gedeih kam mit einem kleinen Plastiktütchen aus dem Samenlager heraus. „Hier steht tatsächlich Wolkenbaum darauf.“ Während Herr Gedeih sich das Tütchen kopfschüttelnd ansah und immer wieder so was wie unglaublich, kenn ich gar nicht, sagte, ging hinter uns die Geschäftstüre auf und ein schwarz gekleideter Herr stellte sich hinter uns. Irgendwie roch er komisch und auch seine Kleidung war schon ziemlich ausgefallen, zumal bei einem solch warmen Wetter wie heute. Ulrike sah zu mir rüber, rümpfte die Nase und meinte dann mit Blick zu Herrn Gedeih: „Prima, wir nehmen den Samen. Was kostet der denn“. „Ja, was soll er kosten? Ich weiß nicht. Ich kann mich auch nicht daran erinnern einen Samen von einem Wolkenbau je bestellt zu haben. Vielleicht sollte ich mal in der Einkaufsgenossenschaft anrufen“. „Sagte sie, Samen vom Wolkenbaum“ fragte der in schwarz gekleidete Herr hinter uns und seine Stimme klang sehr komisch. Ja, so als wenn man in ein langes Rohr hineinsprechen
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würde. Herr Gedeih sah über seine Brille und antwortete mit einem kurzem „Ja“. „Darf ich mal kurz sehen?“. Herr Gedeih hielt dem Mann das Samentütchen hin und schneller als man „Pups“ sagen kann, ergriff der Mann das Samentütchen, drehte sich um, rief „Danke“ und stürmte zur Türe. Bevor uns überhaupt bewusst wurde was passiert, ist riß der Mann die Türe auf und lief nach draußen. „Wunschräuber“ schrie ich und Ulrike guckte mich mit großen Augen an. Als wir uns gefasst hatten, liefen wir hinter dem Mann her. Er war uns aber bestimmt schon 20 Meter voraus und als ich nochmals „Wunschräuber“ rief, schaute er kurz zu uns zurück und lachte.
Er war schon zu weit vor uns und wir hätten ihn bestimmt nicht mehr eingeholt; aber wir hatten Glück. In dem Moment, als sich der Wunschräuber nach uns umsah und uns auslachte, lief ihm eine Katze über die Füße und er stolperte. Zuerst schwankte er, ruderte mit den Händen und dann stürzte er zu Boden. Wir sahen das Samentütchen durch die Luft fliegen. Wir liefen auf ihn zu; doch bevor wir ihn erreichten stand er wieder auf seinen Füßen und lief, wie ein Blitz so schnell davon. Ganz außer Atem sahen wir hinter ihm her. „Das Samentütchen. Ich habe gesehen wie es durch die Luft geflogen ist“. „Ja, du hast recht. Es muss hier irgendwo liegen.“ „Da, ich habe es“ . Ulrike hob es auf und zum ersten mal hatten wir den Samen vom Wolkenbaum in der Hand. „Meinst du das war wirklich so ein Wunschräuber vor dem uns Herr Himmlisch gewarnt hat“ fragte Ulrike. „Ich glaube schon. Denn was sollte die Nummer denn sonst bedeuten. Und außerdem hast du doch auch bemerkt, dass der Mann wirklich etwas komisch war. Er stank doch wie ein Jauchenfass und überhaupt war der doch sehr merkwürdig.“
Inzwischen war auch Herr Gedeih zu uns gestoßen und fragte ob alles in Ordnung sei. In seinem ganzen Geschäftsleben sei ihm so etwas noch nicht vorgekommen. Er war total durcheinander. Wir brauchten schließlich nichts für den Samen zu bezahlen. Wir verabschiedeten uns und machten uns auf den Weg in die Wenzelgasse, in der Herr Krause wohnte. „Wie war das doch, welche Hausnummer wohnte Herr Krause“. Ulrike zog die Schultern hoch. „Ich glaube es war irgendetwas mit sechzig.“ „Ja, stimmt.“ Wir gingen die Wenzelgasse rauf und bei den Häusern mit den Sechziger Nummern blieben wir stehen und schauten immer auf die Namensschilder an den Klingeln. Bei Hs. Nr. 68 wurden wir fündig. Krause und Hönes stand dort auf den Namensschildern. „Hier muss es sein“ meinte ich zu Ulrike. Wir sahen uns das Haus von außen an. Es war ein freistehendes Zweifamilienhaus mit einem Garten hinter dem Haus. Wir klingelten bei Krause und einen Augenblick später öffnete uns auch Herr Krause die Türe. „Ihr“, offensichtlich hatte er nicht mit uns gerechnet. „Ja, wir haben die Samen vom Wolkenbaum und sie werden nicht erraten was wir erlebt haben“. Herr Krause bat uns ins Haus und wir erzählten ihm von dem Wunschräuber. „Und jetzt“ fragte Herr Krause „was machen wir jetzt“. „Ist doch klar“ meinte Ulrike und ich ergänzte: „Wir pflanzen den Samen und dann werden wir ja sehen was Sache ist.“ Gesagt - getan. Wir gingen in den Garten und Herr Krause holte seine Spaten aus einem Gartengerätehaus, das im hinteren Teil den Garten stand. „Das hat doch alles keinen Sinn was wir hier machen; aber vielleicht wächst ja etwas schönes aus dem Samen“ sagte Herr Krause und machte ein Pflanzloch ca. 25 cm tief, so wie es auf dem Samentütchen stand. „Mach auf“. Ulrike sah mich an und ich riss das Samentütchen auf. Es war nur ein Samenkorn darin. Etwa so groß wie der Samen einer Sonnenblume. Ich holte ihn aus dem Tütchen und ließ ihn direkt fallen. „Aua, der ist ja heiß, ich habe mir die Finger verbrannt.“ „Du spinnst. Das einzige was hier heiß ist, sind deine Socken und die riechen nach Stinkkäse.“ Ulrike bückte sich um das Samenkorn aufzuhaben. Sie berührte es und ließ auch sofort los. „Tatsächlich, das Samenkorn ist heiß“ und als
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ob wir nicht mehr alle Tassen im Schrank haben, sah uns Herr Krause an, zeigte uns einen Vogel und bückte sich um das Samenkorn ebenfalls aufzuheben. Er nahm es in die Hand und auch er ließ es sofort wieder fallen. Ich grinste ihn an: „ Sagten wir doch. Das Samenkorn ist heiß.“ „Nein“ gab Herr Krause zurück „Nein es ist ganz kalt. Noch nie habe ich so etwas kaltes in der Hand gehabt.“ „Kalt, wieso kalt, ich habe mir die Finger verbrannt. Sehen sie, ich habe sogar eine kleine Brandblase“. Ulrike zeigte uns tatsächlich eine kleine Brandblase an ihrem Zeigefinger. „Aber ich habe den Samen in der Hand gehalten und ich schwöre euch er war ganz kalt. Hier ich habe auch keine Brandblase an der Hand“. Tatsächlich hatte Herr Krause keine Blase. Wir drei sahen uns an, als ob wir wirklich nicht mehr alle Tassen im Schrank hätten. Schließlich beförderte Herr Krause das Samenkorn mit dem Spaten in das Pflanzloch und tat sogleich lockere Erde darüber. „Muss man nicht noch Wasser dazugeben“ fragte Ulrike. Und so holte Herr Krause noch eine Gießkanne und gab Wasser über das Pflanzloch. Wir hörten es unter der Erde regelrecht zischen. Wir blieben noch eine Weile stehen und als ich auf die Uhr sah, war es auch schon sieben Uhr abends. Ulrike und ich beschlossen nach Hause zu gehen. Bevor wir uns von Herrn Krause verabschiedeten machten wir noch unseren nächstes Treffen aus. „Bis morgen um zehn“.
Auf unserem Heimweg stellten wir uns immer wieder dieselben Fragen wie:
Was mag ́das für ein Samen sein? Wieso mal heiß und dann eiskalt? War der Mann im Samenladen wirklich ein Wunschräuber? Wenn ja, kann man Wünsche überhaut stehlen? Wieso geht die Zeit im Wunschladen nicht weiter? Was ist Herr Krause für einer? Ist Vertrauen überhaupt ein Wunsch den man haben kann? Und noch viele ähnliche Fragen ohne Antwort.
So trennten wir uns am Bäckerladen. Zu hause angekommen, machte meine Mutter Abendbrot und versuchte mich über meine Arbeit auszuquetschen. „Wie war denn der erste Praktikumstag? Du siehst ziemlich geschafft aus! Arbeit ist halt doch etwas anderes als Schule, vor allem, wenn man es nicht gewöhnt ist“ Da ich aber nicht so recht wusste was ich ihr erzählen sollte, wich ich ihren Fragen immer wieder geschickt aus und ging total müde zu Bett.
Der Wolkenbaum
Plötzlich war ich hellwach. Ich saß senkrecht im Bett. Mein Gesicht war nass. Hatte ich geträumt. Doch als ich von hinten meine Mutter hörte: „Wann öffnet denn der Laden in dem du arbeitest?“ Merkte ich, dass mich meine Mutter nur mit einem eiskalten und nassem Waschlappen geweckt hatte. Daraus konnte ich schließen, dass mich meine Mutter bestimmt schon zweimal gerufen hatte. „Um zehn“ rief ich ihr zu, obwohl ich gar nicht wusste, wann der Wunschladen öffnete. Und überhaupt ging ich heute zum Wunschladen? Oder musste ich nicht um zehn Uhr bei Herrn Krause sein. Ich sah auf den Wecker. Es war sieben Uhr dreißig. Meine Mutter kam in mein Zimmer, gab mir einen Kuss auf die Stirn, das tat sie manchmal und verabschiedete sich. „Ich muss gehen. Das Frühstück steht auf dem Tisch,“ rief sie mir noch zu und dann hörte ich die Haustüre zuschlagen. Als ich mich gerade zurücklegen wollte, um noch ein bisschen zu dösen, hörte ich die Türklingel. Natürlich dachte ich, dass meine Mutter etwas vergessen hatte, z.B. ihren Türschlüssel. Ich stand auf, ging zur Türe, öffnete sie und sah Ulrike mir gegenüberstehen. Ulrike musterte mich auch sogleich von oben bis unten und fing an zu lachen. „ Guten morgen Unterhose. Oh, ich meine Martin. Eine sehr hübsche Unterhose hast du an und sogar deine Socken hast du ausgezogen“. „Was willst du
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denn schon hier. Komm rein und warte in der Küche. Ich zieh mich erst mal an.“ Man war mir das peinlich. Nachdem ich mir ein paar frische Socken und ansonsten meine alten Klamotten angezogen hatte ging ich in die Küche. Ulrike saß da und war dabei mein Frühstück zu verspeisen. „Hey, spinnst du! Soll ich verhungern. Du hast mir ja alles weggefuttert.“ „Stell dich nicht so an. Es ist bestimmt noch was in eurem Kühlschrank.“ „Wieso bist du eigentlich so früh“ wollte ich wissen und diese Frage hätte ich mir auch sparen können. Ulrike ging es wie mir. Sie hielt es vor Neugier nicht mehr aus und außerdem wollte sie wissen, ob wir nicht noch vorher in den Wunschladen gehen sollten. Nach einem kurzen Frühstück waren wir uns einig. Wir gingen nicht in den Wunschladen sondern direkt zu Herrn Krause. Hatte doch Herr Himmlisch gesagt, dass uns sonst die Zeit einholt. Was immer das auch heißen mag. Wir deuteten es so, dass wir uns beeilen sollten mit unserem Auftrag und der lautete: Herrn Krause zu helfen seinen Wunsch zu bekommen.
Pünktlich um kurz vor zehn Uhr bogen wir in die Wenzelgasse ein und sahen schon von weitem einen Polizeiwagen vor dem Haus von Herrn Krause stehen. Wir gingen schneller. Was war geschehen. Mir wurde ganz flau in der Magengegend und als Ulrike auch noch bemerkte, was ich befürchtete, wurde mir fast schlecht. „Ob die Wunschräuber den Samen ausgebuddelt haben?“ Wir näherten uns dem Haus und Herr Krause und eine Frau verabschiedeten sich gerade von den Polizisten. Als der Polizeiwagen wegfuhr fragten Ulrike und ich fast gleichzeitig was geschehen sei. „Ja, ich weiß auch nicht genau“ erklärte uns Herr Krause. „Wenn die liebe Frau Hönes nicht einen so leichten Schlaf gehabt hätte, wäre heute in den Morgenstunden bei uns eingebrochen wurden.“ Und die Frau neben Herrn Krause, es musste Frau Hönes sein, erklärte, dass sie in den Morgenstunden eine dunkle Gestalt beobachtet hatte, die über den Gartenzaun gestiegen war und in Richtung Haus schlich. Sogleich hatte sie das Fenster aufgerissen und gerufen. Daraufhin war Herr Krause wach geworden und hat die Polizei alarmiert. Für Ulrike und mich stand fest, dass es sich um den Wunschräuber gehandelt hatte. Wir drängten Herrn Krause uns in den Garten zu begleiten. Herr Krause hatte es aber gar nicht eilig und erst als Frau Hönes aus unserem Bitten entnahm, dass wir in den Garten gehen wollten, drängte auch sie Herrn Krause und meinte. „Es kann schon sein, das die dunkle Gestalt was im Garten gesucht hat. Mir kam es vor, als ob die Gestalt etwas auf dem Boden suchte. Ja, jetzt wo ihr das so sagt, kann es durchaus gewesen sein.“ Herr Krause murmelte vor sich hin: „ Wolkenbaum, Vertrauen, Wunschräuber, das ist doch Blödsinn, dass kann es doch gar nicht geben. Aber meinetwegen, gehen wir in den Garten“.
Wir gingen zu der Stelle, an der wir gestern den Samen gepflanzt hatten. Wir stellten fest, dass sich genau an unserer Pflanzstelle, eine kleine, hellgrüne Pflanze durch den Boden gebohrt hatte. Wir waren erfreut das der Samen aufgeht. Die Pflanze war in etwas 3 cm groß. Frau Hönes war mitgekommen und fragte uns regelrecht aus. „Was habt ihr denn wertvolles gepflanzt?“ Wir beantworteten ihre Fragen und eigentlich war ich erstaunt, das sie gar keine Zweifel hatte. Erst als Ulrike ihr erzählte, das wir den Samen erst gestern und etwas 25 Zentimeter tief eingepflanzt hatten, sah sie sehr ungläubig drein. „Gestern, in 25 Zentimeter Tiefe. Und jetzt schon 2 Zentimeter aus dem Boden. Entweder wird es eine ganz große Pflanze oder zumindest eine schnell wachsende. Es muss eine außergewöhnliche Pflanze sein. Dann könnte man auch verstehen wenn die jemand stehlen wollte“. Frau Hönes stellte noch die unglaublichsten Theorien auf, weshalb man eine Pflanze stehlen könnte und Ulrike hörte ihr fasziniert zu. Für mich stand jedoch ohne Zweifel fest, dass es sich nicht um einen gewöhnlichen –Blumendieb- sondern um einen ganz
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ausgekochten Wunschräuber handelte. „Wir müssen die Pflanze bewachen“ sagte ich und schlug vor, dass wir abwechselnd Wache schieben sollten. Alle, bis auf Herrn Krause, waren damit einverstanden. Er hielt das ganze für einen totalen Blödsinn, ging aber nicht näher darauf ein, zumal Frau Hönes auch mitmachen wollte. Offensichtlich hatte Frau Hönes ein wenig Einfluss auf Herrn Krause.
Frau Hönes war eine ältere Dame so um die 60. Sie machte uns einen Kakao, den wir im Garten von Herrn Krause tranken. Herr Krause selber musste in die Schule. Er war ja Lehrer und obwohl er noch krank geschrieben war, wollte er immer genau wissen, was an seiner Schule so vorging. Diese Tatsache hatte eigentlich etwas positives. Er hatte noch nicht die „Scheiß Igal“ Einstellung, wie so mancher seiner Kollegen.
Ulrike, Frau Hönes und ich verbrachten den ganzen Tag in der Wenzelgasse 68 und beobachteten die 2 Zentimeter-Pflanze. Obwohl sie in der Nacht so viel gewachsen war, wuchs sie nun keinen Millimeter weiter. „Vielleicht ist es ein Nachtgewächs, was nur nachts gedeiht“ meinte Ulrike und mir kam es auch so vor. Der Tag verging und wir besprachen, wie wir die Nachtwache einteilen wollten. Mit Herrn Krause konnten wir eigentlich nicht rechnen, da er das ganze eh für ein Witz hielt. Und Ulrike und ich, ja eigentlich mussten wir ja nach Hause. Also übernahm Frau Hönes die erste Wache und ich versprach ihr, sie um Mitternacht abzulösen. Allerdings wusste ich noch nicht, wie ich das meiner Mutter beibringen sollte oder wie ich sie austricksen musste.
So begann es Nacht zu werden. Meiner Mutter erzählte ich, dass ich ganz früh morgens, wenn sie noch schläft, weg müsse, um eine Ausstellung vorzubereiten die bis zum Geschäftsbeginn fertig sein sollte. Mutter guckte zwar etwas ungläubig und meinte, ob ich mir denn schon aus der Nachbarschaft alle Wecker ausgeliehen hätte. Aber sie hakte nicht nach und das konnte mir sehr recht sein. Was den Wecker betrifft, hatte meine Mutter natürlich recht. Ich hatte einen guten und festen schlaf und so habe ich das Piepsen meines Weckers natürlich nicht gehört. Ich wurde erst gegen 2.30 Uhr wach. Ich zog mich an und schlich mich, wie ein Dieb in der Nacht, aus dem Haus.
Auf dem Weg zur Wenzelgasse hatte ich ein Gefühl, als ob mir jemand folgte. Ab und zu drehte ich mich um; aber es war niemand zu sehen. Die Straßen waren relativ gut beleuchtet und ich versuchte keine Angst zu haben. Mit Taschenlampe und Klappmesser bewaffnet bog ich in die Wenzelgasse ein. Abends wirkt die ansonsten freundlich aussehende Straße doch ein wenig unheimlich. Es war totenstill. Kein Auto, keine Katzen und auch kein Geschnarche war zu hören. Ich betrat den Garten von Herrn Krause durch das Gartentor um Frau Hönes abzulösen. War sie überhaupt noch da? Immerhin wollte ich schon vor drei Stunden da sein. Ich machte meine Taschenlampe an, um mich im dunklen Garten zu orientieren. Im Lichtkegel sah ich ein Gartenhäuschen und schwenkte mit meiner Taschenlampe in Richtung Haus. Ich zuckte zusammen. Ziemlich unerwartet traf der Lichtkegel meiner Taschenlampe ins Gesicht von Frau Hönes, die kurz vor mir stand. Ich hatte sie gar nicht bemerkt und Frau Hönes hatte auch schon ihren Besen erhoben als sie im letzten Moment erkannte, dass ich es war. „Du bist es. Ich dachte schon ein Einbrecher. Mir dir habe ich nicht mehr gerechnet.“ „Ja, ich bin es. Entschuldigen sie bitte das ich so spät bin. Ich habe meinen Wecker überhört und bin erst vor einer halben Stunde aufgewacht.“ „Schon gut.“ „Ist denn etwas vorgefallen“ erkundigte ich mich. Frau Hönes sah mich an und meldetet: „Keine besonderen Vorkommnisse“. Es war eine milde Nacht und nicht sonderlich kalt. Frau Hönes brachte mir aber trotzdem noch einen Tee und eine warme Decke. Frau Hönes blieb noch ein paar Minuten da, bevor sie ins Haus ging. „Solltest du keine Lust mehr haben oder es kalt werden, kannst du
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ins Haus kommen. Die Kellertüre ist auf.“ Nun saß ich auf der Terrasse von Herrn Krause und starrte in den Garten hinaus. Es war nichts zu sehen und das im wahrsten sinne des Wortes. Zur Gartenseite gab es keine Straßenlaternen oder ähnliches. Es war dunkel und bei jedem kleinen Geräusch knipste ich meine Taschenlampe an und leuchtete ins dunkle. Im Gegensatz zur Straßenseite, war hier im Garten richtig Betrieb. Ich kann nicht gerade behaupten das ich mich Wohl fühlte. Mal höre ich einen Igel, mal eine Katze. Besonders erschrocken habe ich mich, als ich einen dunklen Schatten vor meinen Augen vorbeifliegen sah. Ich glaube es war eine Eule. Hoffentlich wurde es bald hell. Und was sollte ich machen, wenn nun tatsächlich ein Wunschräuber im schwarzen Mantel kommen würde? Könnte ich ihn überhaupt erkennen? Es war unheimlich. Im Morgengrauen konnte ich hinter mir ein Geräusch hören. Abermals zuckte zusammen und sah, Herrn Krause auf mich zukommen. Ich war wohl ein wenig eingenickt. Nun aber war ich wieder hellwach. Herr Krause hatte eine Tasse in der Hand und eine Decke über seine Schultern gelegt. „Ich leiste dir etwas Gesellschaft“ sagte er. Ich war heilfroh darüber nicht mehr alleine zu sein. Jeder, ja jeder, der schon einmal nachts im dunkeln alleine in einem Garten gesessen und auf eine unheimliche Begegnung gewartet hat, wird mich verstehen. So war ich auch heilfroh als die ersten Sonnenstrahlen in den Garten trafen und ich diese Nacht gut überstanden hatte. Ich stand von meinem Gartenstuhl auf und ging zur Wolkenbaumpflanze. Ich hatte nicht den Eindruck das diese gewachsen ist. Herr Krause machte uns Frühstück und ich döste in der Morgensonne ein wenig ein. Um 10 Uhr traf Ulrike ein und fragte was los war. „Keine besonderen Vorkommnisse“ berichtete ich und auch sie sah sich die Pflanze noch einmal genau an. „Ist nicht gewachsen“ gab sie laut zu verstehen. „Ich war übrigens eben noch im Wunschladen und habe mit dem Herrn Administrateur gesprochen. Er hat mir einen Beutel mit einem Pulver gegeben. Es soll Wunschräuber in die Flucht schlagen -meistens.“ „Was ist denn da drin“ wollte ich wissen und Ulrike lächelte mich an und meinte: „Geriebene Käsesocken mit mittelalterlichem Unterhosenduft.“ „Ha, ha sehr witzig.“ „Ich weiß es auch nicht genau. Es ist irgend so ein Pulver“. Gegen halb elf waren wir alle versammelt. Frau Hönes, Herr Krause, Ulrike und ich standen vor der Wolkenbaumpflanze und waren uns alle einig. Diese Nacht ist die Pflanze nicht einen Millimeter gewachsen. „Vielleicht ist es der falsche Standort.“ meinte Herr Krause. Er bückte sich, packte vorsichtig an die Pflanze, und zupfte ein wenig daran. Nichts, die Pflanze ließ sich nicht einen Millimeter rauszupfen. Sie war fest. „Die muss eine ganz feste Wurzel haben.“ „Seht mal.“ sagt daraufhin Frau Hönes „Seht euch mal den Rasen an. Der Boden, der Rasen ist total uneben. Das war gestern noch nicht“ „Ja, sie haben recht. Was meinst du dazu Martin“. Ich stand auf, ging auf den Rasen, sah mich um und meinte: „Ich glaube ihr habt Recht. Das muss alles Wurzelwerk sein“. „Das ist vollkommener Unsinn. Hier kann es keine so großen Wurzeln geben.“ sagte Herr Krause. „Und was ist das hier?“ fragte ich, und trat gegen eine, ein wenig rausschauende Wurzel. Daraufhin passierte, was mir fast das Atem versagte. Ein Wurzelstück flog über den Rasen und ich rutschte mit einem Bein in die Wurzel hinein. Ich saß auf dem Hintern und Ulrike half mir aufstehen. Wir sahen uns ein Loch in Wurzel an. Es war unglaublich. Wir riefen Frau Hönes und Herr Krause und zeigten ihnen was wir entdeckt hatten. Unter dem Rasen war ein riesiges Wurzelreich entstanden. An der Stelle, an der ich ein Stück Wurzel weggetreten hatte, war ein Loch in einer doch etwas größeren Wurzel zu sehen. Ich trat mit meinem Fuß nochmals auf die gleiche Stelle und ehe ich mich versah, rutschte ich aus und fiel abermals auf meinen Hintern. In diesem Moment gab die Erde unter mir nach und ich hörte nur noch mein eigenes Schreien. Es ging
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merklich bergab und ich wusste nicht wie mir geschah. Innerhalb von wenigen Sekunden war ich nass geschwitzt. Als ich wieder bei Sinnen war, saß ich inmitten riesiger Wurzeln. Mir tat der ganze Hintern weh. Mit so einer Talfahrt hatte ich nicht gerechnet. Ich sah nach oben und etwa zwei Metern über mir konnte ich in das Gesicht von Ulrike, Frau Hönes und Herrn Krause blicken. „Seit wann mimst du einen Maulwurf“ hörte ich Ulrike sagen. „Sei vorsichtig und bewege dich nicht“ rief mir Frau Hönes zu und Herr Krause rief: „ Ich hole ein Seil.“ Wo war ich gelandet. Alles schien mir so unwirklich. So wie es aussah, saß ich im Inneren, ja im Inneren einer Wurzel. Offensichtlich waren es die Wurzeln des Wolkenbaumes. Im Gegensatz zu der eigentlichen Pflanze, die ja nur 2 Zentimeter gewachsen war, hatten sich die Wurzel gigantisch vergrößert und sind riesig gewachsen. „Ich habe kein Seil gefunden aber eine Leiter.“ Herr Krause ließ die Leiter zu mir herunter. Ich kletterte, noch mit wackeligen Beinen die Leiter hoch. Ich war sicher kreidebleich. Erst jetzt merkte ich wie erschrocken ich eigentlich war. „Mann, du bist ja weiß wie eine Leiche.“ „Ha, ha als ob du schon mal eine Leiche gesehen hast“ Ulrike legte ihren Kopf zur Seite, sah mich mal wieder so schelmisch an und meinte: „ Du hast recht, du bist der erste Zombie den ich sehe. Aus dem Reich der Unterhosen.“ „Nun lasst mal gut sein;“ mischte sich nun Frau Hönes dazwischen. „Kuckt euch lieber mal das Loch an. Das ist doch nicht normal.“ Herr Krause stand vor dem Abgrund des Loches und schüttelte den Kopf und stöhnte: „Das ist doch alles nur ein Alptraum. Wie mein Garten aussieht. Der ganze Rasen von diesen Wurzeln durchwandert. Und überhaupt dieser ganze Unsinn mit der Wolkenbaumpflanze“.
Ich erinnerte mich an den Zettel, den wir von Himmlisch bekommen hatten, holte ihn aus meiner Hosentasche und las ihn nochmals laut vor.
Geht zum Samenladen von Herrn Gedeih. Holt einen Samen vom Wolkenbaum, pflanzt und gießt ihn und schon nach zwei Tagen könnt ihr der Sache auf den Grund gehen.
Ulrike wiederholte „.... und nach zwei Tagen könnt ihr der Sache auf den Grund gehen“. „Ja und ich bin eben in den Grund gefallen. Oder so ähnlich“ „Da muss noch mehr sein“ sagte Ulrike begeistert und sah in das Loch, aus dem ich eben erst herausgekommen war, hinein. Ein Funkeln in ihren Augen verriet ihre Neugier. Auch Frau Hönes blickte in das Loch und bemerkte, dass neben meiner Absturzstelle ein großer Riss war. „Ich glaube da kann man noch weiter ins Erdreich vordringen“. Kaum hatte sie es gesagt, sprang Ulrike auf. „Ich hole meine Taschenlampe“ und lief in Richtung Terrasse.
Genau in diesem Moment schien Herr Krause wieder einen klaren Gedanken fassen zu können. „Ich mache dem Spuk ein Ende. Das ist doch ein Alptraum.“ Er griff in seine Hosentasche und holte ein Taschenmesser heraus. Es war so ein rotes Schweizer Taschenmesser. Er klappte die Klinge heraus, kniete sich neben die Wolkenbaumpflanze und setzte die Schneide an. Mit einem kurzen Schnitt durchtrennte er die Pflanze und hielt die 2 cm große Wolkenbaumpflanze in der Hand. „So, der Anfang ist gemacht. Aus ist es mit der Wolkenbaumpflanze.“ Er klappte sein Taschenmesser wieder zusammen und schaute Frau Hönes und mir in die Augen. Ulrike kam mit ihrer Taschenlampe angerannt. „Er hat die Wolkenbaumpflanze abgeschnitten.“ Ich zeigte auf die Stelle, an der die Pflanze stand und Ulrike kuckte. „Ha, ich glaube die wächst wieder nach. Seht doch“ Wir sahen alle auf die Stelle, wo eben noch die Wolkenbaumpflanze stand und mussten erstaunt feststellen, dass die Pflanze zusehend wuchs. Ja es war das erste mal in meinem Leben, dass ich sehen konnte, wie eine Pflanze wächst. Herr Krause ging einen Schritt zurück und wurde kreidebleich. Die Pflanze wuchs und wir konnten
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zusehen wie. Als die Pflanze etwa 2 cm gewachsen war, glaubten wir, dass sie zu wachsen aufhörte und genau da täuschten wir uns. Die Pflanze wuchs tatsächlich noch 2 Zentimeter und erst dann hörte sie auf zu wachsen. „Das wollen wir ja mal sehen“ sagte Herr Krause, nahm abermals sein Taschenmesser und kniete sich neben die Wolkenbaumpflanze und schnitt nochmals die Pflanze ziemlich am Boden ab. Wir starrten alle auf die Pflanzstelle und tatsächlich sahen wir, wie die Pflanze abermals zu wachsen anfing. Dieses mal wuchs die Pflanze wieder doppelt so groß wie vorher und war jetzt 8 cm groß. Auch der Stängel der Wolkenbaumpflanze wurde dicker. „Dann reiß ich dich eben aus. Wäre doch gelacht wenn ich der Sache nicht ein Ende setzen könnte.“ Herr Krause umfasste das Wolkenbaumpflänzchen mit beiden Händen und begann zu ziehen. Nichts; aber auch nicht einen Millimeter ließ sich die Pflanze aus dem Boden ziehen. Krause setzte noch mal an. Er zog und zog doch die Pflanze wollte nicht nachgeben. Allmählich wechselte seine Gesichtsfarbe. Nun stemmte sich Herr Krause mit aller Gewalt, die er aufbringen konnte, gegen dieses zarte 8 Zentimeter große Pflanze. Er lief knallrot an. „Gleich platzt er“ meinte Ulrike und genau so sah er aus. Vielleicht sah es auch deshalb nur so aus, weil Herr Krause von Natur aus doch eher ein blasser Typ ist. Mit aller Gewallt wollte der nun die Pflanze aus dem Boden ziehen. Er strenge sich so sehr an, dass ihm plötzlich ein ziemlich lauter und langgezogener >Pups< aus dem Hintern entfuhr. Frau Hönes, Ulrike und ich sahen uns an und als dann ein zweiter >Pups< die Stille durchbrach, konnten wir uns nicht mehr halten. Wir lachten uns halb Tot und konnten uns gar nicht mehr beruhigen. Immer wenn wir uns ansahen und auf Herr Krause sahen, mussten wir aufs neue loslachen.
Herr Krause setzte sich total erschöpft auf den Rasen und ich ging zu ihm. „Bei dem Wurzelwerk, kann man die Pflanze bestimmt nicht rausziehen.“ „Ich gebe mich geschlagen“ sagte Krause und schüttelte den Kopf.
Der Aufstieg
Herr Krause vertraute Gog noch weniger als Krats was wohl daran lag, das Gog ihm wohl nicht so viel Zucker in den Hintern blasen wollte. Für Ulrike und mich stand fest das Krats mit Wunschräubern zusammenarbeitet und allein aus diesem Grunde wollten wir auf keinen Fall zurück zu Höhle. Herr Krause vertraute nun gar keinem mehr und wollte alleine weiter. Zum Glück konnten wir ihn davon überzeugen das Gog am besten einen Weg nach oben finden konnte und Herr Krause folgte uns wobei er immer wieder leise vor sich hinmurmelte. „Hoffentlich ist dieser Alptraum bald vorbei“.
Wir gingen eine Weile und der Weg wurde immer enger und holpriger. Von oben kamen immer mehr Wurzelteile bis zum Boden. So stellte ich es mir im tiefsten Dschungel vor. Man konnte bald vor lauter Bäumen, ich meine Wurzeln, den Weg nicht mehr erkennen. Die Wurzeln wurden zwar immer schmaler, dafür wurden es aber immer mehr und Gog meinte, das wir wohl bald da seien müssen. „Wenn die Wurzel hier zum Boden kommen, nehmen sie Nahrung auf und das heißt, das wir bald am Aufstieg sind.“ „Ist der Aufstieg sehr steil und müssen wir nicht noch ein Seil oder so etwas besorgen“ wollte ich von Gog wissen. „Ich weiß es auch nicht genau. Ich selber habe den Aufstieg ja noch nie gesehen und alle die ihn schon gemacht haben, hat man nie wiedergesehen.“ „Wie, was, noch nie wieder gesehen. Was wollen sie damit sagen!“ Herr Krause war von einem Moment zum anderen wie aus dem Schlaf aufgewacht und auf 180. „Da mache ich nicht mit. Das ist doch Wahnsinn. Wohlmöglich ist es gefährlich!“ „Ja Gefahr ist mein zweiter Vorname“ meinte Ulrike und sah Herr Krause an. „Machen sie sich mal nicht gleich in die Hose. Es reicht das wir schon stinken weil wir dauernd wegen dieser komischen Suppe
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pupsen müssen. Und außerdem sollten sie doch endlich lernen jemanden zu vertrauen“. „Vertrauen, ja vertrauen. Dem letzten dem ich vertraut habe war der nette Herr Krats. Und ihr habt alles versaut.“ „ Nun aber mal halblang“ warf ich ein. Krats ist ein Ganove und er wollte sie nur den Wunschräubern ausliefern.“ „Wunschräuber, das ich nicht lache. Ich wünsche mir nur aus diesem Alptraum aufzuwachen“. „Was haben sie eigentlich immer mit ihrem Alptraum. Soll ich sie nochmals wecken“ fragte Ulrike und Herr Krause meinte „Nein, einmal reicht“.
„Vertrauen sie mir“ sagte Gog und lächelte dabei Herrn Krause an. „Wir sind da“ sagte er und zeigte nach vorne. Wir blickten alle wie gespannt in die Richtung in die Gog zeigte, doch alles was wir erkennen konnten war weißer Nebel. „Ich sehe hier keinen Aufstieg“ meinte ich und Ulrike antwortete „Ich habe mir fast gedacht, dass es sich nicht um einen Fahrstuhl oder ähnliches handeln konnte.“ „Ich sehe überhaupt nichts, was wie ein Aufstieg aussehen könnte. Ich sehe nur Nebel“ meinte Herr Krause. „ Richtig, ihr müsst durch den Nebel gehen und dann werdet ihr den Aufstieg schon sehen.“ Nun kamen mir so meine Zweifel. Konnten wir Gog vertrauen. Vielleicht war das eine Falle? Ich sah zu Herrn Krause rüber und ich traute meinen Augen nicht. Waren meine Brillengläser beschlagen? Herr Krause reichte Gog die Hand und ich hörte: „Vielen Dank Herr Gog. Ich bin doch froh, das ich mit ihnen und nicht mit Herrn Krats gegangen bin. Als ich eben in ihre Augen sah wusste ich, das ich ihnen vertrauen kann. Mein Vater sagte immer: Die Augen sind der Spiegel der Seele und in den Augen kann man wie in einem Buch lesen.“ „Ich wünsche ihnen alles gute“ meinte Gog. „Kommst du denn nicht mit“ fragte ich Gog und er meinte das es wohl nicht ginge, da er an der Oberfläche nicht existieren könne. Er würde wahrscheinlich erblinden.“
„OK, gehen wir“ Ulrike schien entschlossen zu sein, Gog zu vertrauen und ging los. Ich sah zu Krause rüber, der zum ersten mal kein nachdenkliches Gesicht machte. „Sie müssen jetzt Vertrauen haben“ sagte ich „Kommen sie, wir haben nichts zu verlieren.“
„Stehen bleiben, bleiben sie stehen“ hörten wir hinter uns jemanden rufen. Wir drehten uns um und sahen Krats und die dunkle Gestallt auf uns zulaufen. „Krats“ rief Herr Krause. Wir standen wie erstarrt da und blicken zu Krats und der dunklen Gestallt. In diesem Moment sah ich, wie Gog eine kleine Wurzel in die Hand nahm und in den Mund steckte. Er fletschte die Zähne und biss ein Stück der Wurzel ab. In diesem Moment fing der Boden an zu beben und aus den oberen Wurzeln sahen wir, wie etwas auf uns zu fiel. Ich konnte erkennen, das es sich um Massen von Käfer und Larven handelte. Mit einem Ruck zog ich Herrn Krause zu mir rüber. Wir standen direkt vor der Nebelwand. Ulrike fasste Herrn Krause am anderen Arm an. Wir sahen uns an und mit einem Ruck, zogen wir Herrn Krause in den Nebel in den wir nun alle drei verschwanden. „Man ist das eine Suppe!“ „Wie kannst du jetzt ans Essen denken“ rief Ulrike. „Ich meine den dichten Nebel“ „ Ja, verstehe.“ Man konnte die Hand vor Augen nicht sehen und ehe wir uns noch ein weiteres Bild machen konnten, spürten wir, wie der Boden sich bewegte. „Was ist das, der Boden bewegt sich“ äußerte ich und jetzt schien auch Ulrike lieber zurück gehen zu wollen. „Komm ich glaubte wir gehen wirklich lieber zurück“ sagte sie. Wir hatten keine Zeit mehr zum überlegen. Zurück oder nicht zurück. Ich verspürte einen starken Wind. Plötzlich schien uns der Boden aufsaugen zu wollen. Der Sog war auf einmal so schwer, das wir uns nicht mehr auf den Beinen halten konnten. Wir ließen uns fallen. Der Boden war weich und nass. „Haltet euch fest“ rief ich und griff nochmals nach dem Arm von Herrn Krause. Herr Krause griff nach Ulrikes Hand und Ulrike versuchte mit der anderen Hand, mich zu erreichen, was ihr auch gelang. So hielten wir uns
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gegenseitig fest. Wir konnten nichts sehen und es war unheimlich. Auf dem Hintern sitzend rutschten wir mit einer riesigen Geschwindigkeit über den Boden. Das schlimme war, das wir absolut nichts sehen konnten. So einen Nebel habe ich noch nie gesehen. Alles drehte sich um mich herum und es kam mir unwirklich vor. Ich machte mich auf das schlimmste gefasst doch unser Rutschpartie endete abrupt. So wie der Sog angefangen hatte, hörte er auch auf. Wir standen auf und dann erlebten wir ein Donnerwetter, wie ich es auf jedenfalls noch nicht erlebt hatte. Herr Krause tobte und fluchte und machte uns richtig nieder. Er konnte sich gar nicht mehr beruhigen. „Gleich platzt er“ sagte Ulrike und auch ich glaubte, dass er wohl jeden Moment einen Herzanfall bekommen würde. Das hat die Welt noch nicht erlebt. Ich kann die Worte von Herrn Krause gar nicht beschreiben. Hatte er eben noch Vertrauen gefunden, so musste ihn jetzt wohl die Angst überwältigt haben. Die Adern schwollen ihm so an, dass man wirklich meinen konnte, er würde gleich explodiert. Als er eine Sekunde aufhörte, wahrscheinlich auch nur um Luft zu holen, hörten wir aus dem Nebel eine Stimme: „Weiter, weiter, so ein schönen Gesang habe ich ja noch nie vernommen.“ Wir drehten uns alle in die Richtung aus der die Stimme zu kommen schien. „Wer ist da“ rief Ulrike und ich gleichzeitig und auch Herr Krause hörte auf sich wie ein Volltrottel zu benehmen. Der Nebel schien nun langsam aufzuhören und wir versuchten etwas zu erkennen.
Es sah so aus, als ob wir in einer Art Höhle oder riesigen Gotte waren. Der Nebel schien an den Wänden und an der Decke zu haften, denn die waren milchig weiß und vor uns stand ein Nedud mit einer Decke in der Hand und sah uns an. Nein, ich glaube eher, er sah an uns vorbei. Ich sah mich um ob noch jemand hinter uns war. Ulrike ergriff zuerst das Wort. „Wer bist du und wo sind wir hier. Was machst du. Wo hörst du Gesang. Kannst du uns helfen?“ Ich stieß Ulrike in die Rippen, damit auch sie mal Luft holen konnte und den Frageschwall unterbrach. „Ich bin ich. Wo ihr seid weiß ich nicht aber ich bin hier und mache Leben. Und der Gesang hat aufgehört aber der kam aus eurer Richtung.“ „Aus unserer Richtung kam kein Gesang“ warf Herr Krause noch immer erregt ein.“ „Die Stimme kenne ich, du hast den Gesang gemacht“ „Wer, ich?“ Herr Krause schien sehr verdutzt und ich meinte: „Sicherlich meinte der Nedud ihr Geschrei von eben. Ulrike ging auf den Nedud zu, streckte ihm die Hand hin und sagte „Ich bin Ulrike, das ist Martin und der mit dem Gesang ist Herr Krause“. Der Nedud schien ihre Hand nicht zu sehen. Ich stellte mich neben Ulrike und sah den Nedud an. „Kann es sein, dass du gar nichts siehst?“ frug ich und der Nedud lachte. „Ha, ha ich sehe sehr gut, denn ich habe eine ausgezeichnete Rille.“ „Du meinst wohl Brille“ warf Herr Krause ein. „Oh mach doch bitte wieder Gesang.“ „Wie heißt du eigentlich“ fragte ich und der Nedud antwortete: „ Man nennt mich nur Leben, weil ich Leben mache.“ „Also Leben dann ziehe doch mal deine Brille auf, damit du uns sehen kannst.“ „Ich ziehe nicht gerne meine Rille auf, die stört wenn ich mich drehe“ „Aber du drehst dich doch nicht“ sagten wir alle gleichzeitig. „Ja und daran seid ihr schuld.“ „Wir, wieso sind wir schuld, dass du dich nicht drehst?“ „Weil du kein Gesang mehr machst.“ „Ich glaube ich spinne“ sagte ich „Das war kein Gesang, das war gemeckert.“ Leben griff in seine Umhängetasche die er auf dem Bauch trug und zog seine Brille raus. Er setzte sie auf und wir sahen in ein paar übergroße Augen, die hell und freundlich aussahen. „Ihr seid nicht von hier“ sagte Leben. „Stimmt, wir sind von oben und wollen nach oben“ meinte Herr Krause, der sich allmählich wieder gefasst hatte. „Kannst du uns sagen, wie wir zu Krats kommen, der wollte uns nämlich helfen.“ Ich glaube ich hörte nicht richtig. War ich doch der Meinung, dass das Kapitel Krats abgeschlossen sei. Wollte Herr Krause jetzt doch wieder zu Krats zurück? Noch bevor ich meine Gedanken ordnen konnte
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meinte Ulrike „Nein, auf keinen Fall“ und ich stimmte ihr zu. Leben sah Herrn Krause und dann uns an. „Zu Krats wollt ihr?“ „Ja“ sagte Herr Krause „Nein“ riefen wir.“ Nun, dann musst du wohl alleine gehen“ sagte Leben zu Herrn Krause. „Krats ist kein guter Nedud. Er ist ein schlauer Nedud. Er weiß alles und ist der Schlauste den ich kenne, aber er ist gemein und hinterhältiger.“„Genau das glaube ich auch“ meinte ich und sah zu Herrn Krause. „Aber er ist der einzige, der uns an die Oberfläche bringen kann“ schrie mich Herr krause explosionsartig an. Leben drehte sich und rief „Ja, weiter, schöner Gesang.“ Aber er hörte auf, da Herr Krause nicht mehr rumschrie. „Ich glaube du siehst nicht nur schlecht, ich glaube du hast auch die Ohren auf halb neun stehen“ meinte Ulrike „Wie kann man zu so einem Gebrüll Gesang sagen?“
„Du sagtest, das du Leben machst?“ frug ich . „Ja ich mache immer Leben, wenn ich mich fürchte“ „Leben machen, wenn du dich fürchtest? Wie meinst du das“ „Nun, wenn die Wurzel sich schütteln oder die Erde bebt, dann ist etwas nicht so, wie es sein soll und dann mache ich Leben.“ „Du meinst als Gog in die Wurzel gebissen hat und die ..“ „Ja, genau, und wenn Gog es war, dann stimmte wirklich was nicht. Gog ist ein Guter. Er hat uns schon oft geholfen“. Ulrike sah sich um und fragte:
„Wo ist denn das Leben, das du gemacht hast?“ „Na hier.“ Leben nahm seine Decke und fing an sie zu schütteln und ehe wir uns versahen, standen wir in dem dichtesten Nebel, den man sich vorstellen konnte. Es war fast schon wie eine weiße Wand. „Du meinst Nebel“ rief ich. „Ich meine Leben“ rief Leben. Ulrike und ich mussten lachen. „Hör auf, man sieht ja gar nichts mehr“ sagte Herr Krause und Leben meinte „Wenn du nichts siehst, dann braucht du wohl auch ein Rille“. „Nein ich brauche keine Rille“ sagte Herr Krause und Ulrike und ich wiederholten wie auf Kommando „Nein ich brauche keine Rille“. Ich glaube, Herr Krause war kurz vor dem Platzen und ich meinte in dem dichten Nebel sogar sein rotes Gesicht zu sehen. Leben hatte inzwischen aufgehört seine Decke zu schütteln. Der Nebel lichtete sich wieder. Was sollten wir nun tun? Herr Krause wollte wieder zurückgehen und wir hatten eine kleine Diskussion die Leben mit den Worten „ Es gibt noch einen anderen Weg noch oben“ beendete. Wie aus der Pistole geschossen meinten wir alle drei „ einen anderen Weg nach oben“ „Los sprich, las dir nicht alles aus der Nase ziehen“ keifte Herr Krause Leben an, worauf der sich wieder zu drehen anfing. „Nein nicht drehen, um Himmels willen, höre mit dem dämlichen drehen auf und sage uns wie wir nach oben kommen“. Herr Krauses Ton war ziemlich laut und klang wirklich ungeduldig und je mehr er sich erregte, desto schneller fing Leben sich an zu drehen und rief zwischendurch „Schöner Gesang, wirklich schöner Gesang“ und je mehr er sich freute, desto genervter schien Herr Krause zu werden. Schließlich gelang es Ulrike und mir, Herrn Krause zu beruhigen und Leben hörte sich auf zu drehen „Ihr seid gemein, einfach mit dem Gesang aufzuhören“. „ Wenn du uns den Weg nach oben zeigst, wird Herr Krause sicherlich noch mal für dich singen.“ Offensichtlich hatte ich die richtigen Worte gefunden. Herr Krause sah mich an und wir konnten beobachten, wie Leben meine Worte überdachte. „Außerdem hat Gog uns gesagt, das wir kurz vor dem Aufstieg sind.“ sagte Ulrike. „Ja, und ich habe ihm vertraut“ meinte Herr Krause. Leben murmelte vor sich hin und schließlich sagte er: „Einverstanden, ich zeige Euch den Weg nach oben und ihr singt dann noch ein wunderschönes Lied“. Wir waren damit auch einverstanden und auch Herr Krause schien wieder guten Mutes zu sein und meinte „ OK ich will dir vertrauen und werde dir zur Belohnung auch ein wunderschönes Lied singen“. Ulrike zog mich zu sich und flüsterte mir ins Ohr: „ Hat Herr Krause gerade gesagt, das er Leben vertrauen wollte“ „Ja“ sagte ich und uns beiden war klar, was das eventuell bedeuten konnte. Herr Krause vertraute
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in kurzer Zeit nochmals einem Nedud. War es nicht unser Auftrag, das Vertrauen des Herrn Krause zu suchen. Ja so war es doch. Und nun sagte Herr Krause zu einem uns völlig unbekannten Wesen, das er ihm vertraue. Ich glaube wir waren auf dem richtigen Weg.
„Wir müssen dem Rinnsal folgen“ sagte Leben und ging voraus. Nach etwa 15 Minuten Fußmarsch war das Rinnsal schon zu einem kleinen Bach geworden. „Ist es noch weit?“ wollte Ulrike wissen. „Mir tun die Füße weh.“ „Du musst durch den Bach gehen, dass hilft gegen Fußweh“ antwortete Leben. Ulrike sah mich an und zuckte mit den Schultern. „Vielleicht hilft es ja“ meinte Herr Krause. „Mir tun nämlich auch die Füße weh.“ Herr Krause hockte sich hin und zog seine Schuhe aus. „Ja, geht durch den Bach. Das ist erfrischend“ meinte Leben. Wir hielten alle an und zogen unsere Schuhe aus. Ich war der letzte, da ich nicht sofort den Knoten aus meinen Schuhriemen herausbekam. Als ich meinen letzten Schuh aus hatte, hörten wir ganz deutlich eine Stimme, die immer näher kam. „Käsealarm, Käsealarm“ hörten wir eine Stimme und wir sahen uns um. Es war der Papagei aus dem Laden von Herrn Himmlisch und wir schienen die selben Gedanken zu haben. Woher wusste der Vogel wo wir waren, wo kam er her? Kam er von der Oberfläche?
„Das ist..“ „Arkor“ „...der Papagei aus dem Wunschladen“. Auch Herr Krause stand mit offenem Mund da und staunte. Der Papagei umkreiste uns und so wie er gekommen war, verschwand er auch wieder. „Habe ich geträumt oder war da gerade der Papagei von Herrn Himmlisch an uns vorbeigeflogen“ frage Herr Krause. „Ja in der Tat. Es war Arkor der Papagei von Herrn Himmlisch“ gab Ulrike zurück. Und ich merkte genau, das es den anderen genauso ging wie mir. Ich fühlte mich viel wohler ein Lebenszeichen von der Oberwelt gesehen zu haben. Wir waren sicherlich auf dem richtigen Weg.
Wir nahmen unsere Schuhe in die Hand und stiegen in den Bach hinein. „Brrrr, ist das kalt“ meinte Ulrike und Herr Krause antwortete mit einem „Ja, wenn die Füße vereisen, vergisst man ganz schnell, das diese einem noch vor Sekunden schmerzten.“ Auch ich musste natürlich meinen Senf dazugeben „Jetzt ist es nicht ein Käsealarm, sondern ein Eisbeinalarm“. Nach wenigen Schritten machte uns das eiskalte Bachwasser nichts mehr aus und wir unterhielten uns aufgeregt über Arkor. Wo der wohl herkam, wo der wohl hinflog und so. Wir gingen etwa eine Viertelstunde als wir plötzlich merkten, das Leben zurückblieb. Also blieben wir stehen und winkten ihn zu uns. Mit langsamen Schritten kam er ganz verängstigt näher. „Es tut mir leid, aber ab hier müsst ihr ohne mich weitergehen“ „Warum“ fragte ich und auch Ulrike fragte nach. Noch bevor Leben uns antworten konnte meinte Herr Krause: „Er wird schon seine Gründe haben. Ihr solltet etwas mehr vertrauen haben. Also kommt.“ Ulrike und ich sahen uns an als ob uns die Ohren abgefallen sind. „Habe ich richtig gehört“ „Ja ich glaube schon. Denn es ist doch ziemlich unwahrscheinlich, dass wir beide falsch gehört haben.“ Wir richteten unsere Blicke auf Herrn Krause. Er hatte tatsächlich etwas von Vertrauen gesagt. „Ihr müsst jetzt weitergehen. Ich kann nicht mitkommen, weil die Oberfläche für uns Neduds viel zu gefährlich ist“ erklärte Leben und gab uns zum Abschied seine Hand.
Das Wort Oberfläche war für Herrn Krause so ein Ansporn, das er sich wirklich schnell von Leben verabschiedete und zu uns gewandt nur kurz sagte: „Weiter, lasst uns jetzt weitergehen.“ Wir verabschiedeten uns ebenfalls von Leben und Ulrike knutschte ihn noch kurz ab. Dann folgten wir Herrn Krause. „Hast du jetzt Fell im Mund“ fragte ich Ulrike und bekam nur ein „Idiot“ als Antwort zurück. „Man wird doch mal fragen dürfen.“ Herr Krause hatte nun die Führung übernommen und legte ein schnelles Tempo vor. Das Wasser im Bach wurde auch ein wenig tiefer und so fiel
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uns das gehen immer schwerer. Ich war schon so weit, dass ich eine Pause einfordern wollte, als wir bemerkten, das sich hinter uns etwas tat. Wir drehten uns um und sahen Kratz mit einer Meute Neduts auf uns zustürmen. Herr Krause blieb auch stehen und sah Kratz entgegen, der noch etwa 100 Meter hinter uns war.
Nun konnten wir die ersten Stimmen der Meute hören und die waren ganz deutlich. Haltet sie, tötet sie, sie dürfen nicht noch oben, sonst verraten sie alles. „Nichts wie weg hier“ sagten wir alle fast gleichzeitig. Wir fingen an zu laufen. Die Beine die noch vor wenigen Augenblicken schwer wie Steine schienen, trugen uns nun durch den Bach. Wir liefen und liefen, so schnell wir konnten. Schneller rief Herr Krause und Ulrike prustete mit letzter Kraft: „Es fängt an zu regnen“. Und in der tat es fing an zu regnen aber nicht so, wie man es sich vorstellen kann. Es war doch schon sehr merkwürdig; denn die Regentropfen kamen nicht von oben, sondern schossen von unten aus dem Bach nach oben. Wir wurden immer langsamer, da uns das Laufen immer schwerer fiel. Ich sah mich um und konnte Krats und die Meute nicht mehr sehen. Der von unten-nach-oben Regen wurde immer heftiger und die Regentropfen wurden immer größer. Ich rief den anderen zu: Wir können stehen bleiben. Unsere Verfolger sind nicht mehr da.“ Herr Krause und Ulrike blieben nun auch stehen. Wir rückten zusammen. Der Regen wurde so heftig, das wir kaum noch etwas sehen konnten. Es schüttete wie verrückt und es fiel uns schwer, uns auf den Beinen zu halten. Der -von-unten-nach-oben-Regen- zog das Wasser sozusagen unter unseren Füßen weg. Die Regentropfen wurden zusehends größer und größer. Ja sie nahmen schon beängstigende Ausmaße an. „Fasst euch an die Hände, rückt zusammen“ rief Herr Krause. Aber er hätte es gar nicht rufen müssen. Ulrike und ich hatten soviel schiss, dass wir schon längst zusammen standen und uns festhielten. Der -von- unten-nachoben-Regen- wurde so heftig, das wir uns nicht mehr halten konnten. Wir fielen um und lagen im Bach. Man konnte nichts mehr erkennen und die Angst schnürte uns die Kehle zu. Das letzte was ich noch sehen konnte, war, nun wie soll ich es sagen?. Es war ein -von-unten-nach-oben- Wasserfall direkt neben uns. Ich wollte noch etwas rufen da spürte ich, wie es uns nach oben riss. Wir schrieen als ob wir auf der Kirmes in einer Achterbahn einen dreifach Looping durchfahren. Es wurde heller um uns herum und wir hatten uns an die Situation ein wenig gewöhnt. Unser schreien war nur noch ein schnaufen. „Seht, ein Regenbogen“ rief Ulrike und tatsächlich sahen wir direkt vor uns einen sehr großen und deutlichen Regenbogen. „Bewegt euch nicht, ich glaube wir sind in einem Riesigen Regentropfen“ flüsterte Herr Krause und erst jetzt nahmen wir wahr, was Herr Krause vermutete. Ja wir waren in einem riesigen Regentropfen und der Tropfen steuerte auf den Regenbogen zu. „Ich habe Angst“ sagte Ulrike und ich sah sie an. „Meinst du vielleicht ich nicht!“ „Ihr müsst mehr Vertrauen haben. Das ist wahrscheinlich die Art Fahrstuhl von der Gog gesprochen hatte. Und wenn wir einen Regenbogen rauffahren können, geht es an der anderen Seite bestimmt wieder bergab.“ War das Herr Krause, der diese Worte sprach? „Sie haben ihr Vertrauen wieder gefunden“ meinte Ulrike und auch ich bekam wieder Mut. „Ja, so wie sie uns jetzt ermutigen und uns vertrauen zusprechen, würde ich sagen: „Der Auftrag ist erfüllt. Sie haben offensichtlich ihr Vertrauen wieder“. Herr Krause sah uns an und in seinen Augen war ein Glanz zu sehen, den ich bis dahin noch nicht gesehen hatte. „Ja ihr habt recht. Ich habe eigentlich keine Angst und glaube das wir wieder gut zurück kommen. Seht da unten sehen ich Felder und Wiesen und..“ noch bevor er weitersprechen konnte ergriff Ulrike meinen Arm und meinte nur noch: „Ach du dickes Ei“ und in diesem Moment ging es umgekehrt wie vor wenigen Minuten. Wer den Film „Abwärts“ gesehen hat, kann es sich vielleicht vorstellen. Wie in einem Fahrstuhl der abstürzt, schossen wir
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Richtung Erde. Wir klammerten uns fest aneinander. Ich schloss die Augen und hörte uns nur noch schreien. Wenige Sekunden später hörte ich wie es PLATSCH machte und als ich die Augen öffnete saß ich mit Ulrike auf dem Schoß neben Herrn Krause in einer riesigen Pfütze. Es war am Regnen. Ulrike sah mich an. Dann sah sie nach oben: „Regen“ sagte sie „Ganz normaler -von-oben-nach-unten- Regen.“ Wir sahen uns an und mussten lachen. „Seid ihr OK“ „Ja, sind wir!“ „Dann lasst uns gehen. Ich glaube ich weiß wo wir sind“ Wir standen auf und sahen Herrn Krause an. „Seht ihr den Glockenturm dort hinten. Das ist der Glockenturm der -Kirche zum rechten Weg-.“ Herr Krause hatte recht. Wir waren östlich unserer Stadt. Hier war ich letztes Jahr zum Drachensteigen gewesen. Wir gingen los und es dauerte nicht lange da hörte es auf zu Regnen. Wir sahen uns um und sahen den Regenbogen noch immer über dem Feld stehen. Die Sonne trocknete unsere Sachen und wir konnten unser Glück kaum fassen. „Habe ich nur geträumt“ sagte Herr Krause und Ulrike bot sich an ihn zu zwicken. „Lass sein. Ich meine das hatten wir schon mal“. Herr Krause war gut gelaunt. Er war wie ausgewechselt. Er war fröhlich und freute sich wieder auf sein zu Hause und die Schule. Beim Stichwort Schule kamen mir allerdings nicht die Glücksgefühle hoch.
Wieder zu Hause
Zurück in unserer Stadt wollte Herr Krause direkt nach Hause. Wir gingen mit. Da Herr Krause aber auf der anderen Seite wohnte, mussten wir über die Kaiserstraße. „Da hinten ist der Wunschladen“ meinte Ulrike. „Ja, lasst uns kurz dort hin gehen“ sagte ausgerechnet Herr Krause. Wir gingen also zum Wunschladen und ich wollte anklopfen als sich die Türe automatisch öffnete und uns eine Stimme mit „Der nächste bitte“ begrüßte. „Halt den Schnabel, Arkor“ rief ich und prompt kam die Antwort. „Käsealarm, Käsealarm“ Ulrike musste lachen. Wir gingen die Treppe in den Saal hinunter und zogen uns wie gewohnt die Schuhe aus und gingen über den Teppich auf den Tisch am anderen Ende des Saales zu. Herr Administrateur kam auf uns zu. Er strahlte über das ganze Gesicht. „Gratuliere“ sagte er und hielt uns seine Hand hin. Er beglückwünschte uns zu unserer Rückkehr. „ Nehmen sie Platz.“ Wir setzten uns und Herr Administrateur servierte uns einen Tee. Die Tür hinter dem Tisch öffnete sich und Herr Himmlisch trat hinein. Auch er beglückwünschte uns und sprach ein paar andächtige Worte. Wir erzählten unsere Geschichte und als wir nach Stunden gingen, meinte Herr Himmlisch zu Herrn Krause. „Alles Gute für ihre Zukunft“ und zu uns meinte er: „Wir sehen uns morgen. Ich habe schon einen neuen Auftrag für euch“.
Als die Außentüre vom Wunschladen hinter uns zufiel sah Herr Krause auf seine Uhr und murmelte: Meine Uhr ist stehen geblieben.“ Auch ich sah auf meine Uhr. Eigentlich hätte ich es wissen müssen. Wie bei unserem ersten Besuch war auch jetzt die Zeit stehen geblieben. Wir hatten also den Tag noch vor uns. Wir begleiteten Herrn Krause noch nach hause und auch hier schien die Zeit stehen geblieben zu sein. Der Garten war nicht durchwühlt. Frau Hönes kam uns entgegen und rief schon von weiten: „Sie wissen ja nicht was hier geschehen ist.“ „Doch weiß ich“ rief Herr Krause zurück. Wir setzten uns auf die Terrasse, tranken Kaffee bzw. Kakao und sahen in den Garten. Die Sonne schien und der Garten sah wunderschön aus. Schließlich sagte Herr Krause. „In diesem Garten werde ich nicht mehr umgraben und sein Blick fiel auf einen kleinen unscheinbaren Baum, den Wolkenbaum.
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